Blizzard: HighTech Ski-Produktion mit HighTech ERP-System

 
Referenz
Lucke, Carsten; Richter, Sebastian (2009): Fallstudie Blizzard, in: Wölfle, Ralf; Schubert, Petra (Hrsg.): Dauerhafter Erfolg mit Business Software - 10 Jahre Fallstudien nach der eXperience Methodik, S. 123 - 136, München: Hanser Verlag, 2009
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Inhaltsverzeichnis:

1. Das Unternehmen

Die Blizzard Sport GmbH ist ein seit 1945 in Mittersill angesiedeltes, mittelständisches Unternehmen, das sich auf die Produktion von Skiern, die in mehr als 40 Länder exportiert werden, spezialisiert hat. Sie wurde von Anton Arnsteiner gegründet. Er hat das Unternehmen lange Jahre zentral geprägt und als Familienbetrieb geführt.

In den 80er Jahren hatte das Unternehmen mehrmals wirtschaftliche Schwierigkeiten und es wechselten mehrfach die Besitzer, bevor 2006 die Tecnica Gruppe Blizzard zuerst mehrheitlich und in 2007 zu 100 % erwarb.

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Blizzard Sport GmbH produziert an zwei Standorten (Mittersill, Österreich und Chop, Ukraine) pro Jahr etwa 300'000 Paar Ski. Dabei entfallen auf die Premium-Marken Blizzard und Nordica jeweils ca. 140'000 Paar. Der deutlich grössere Standort Mittersill, zugleich Sitz des Unternehmens, ist für ca. zwei Drittel der Produktion zuständig.

Anders als andere Skimarken (wie z. B. Atomic, Salomon) hat sich der Hersteller ausschliesslich auf die Produktion von Skiern spezialisiert und bietet innerhalb der Marke Blizzard keine Skischuhe und keine Skibekleidung für den Massenmarkt an.

Die Kunden des Unternehmens entfallen auf zwei Hauptgruppen. In Österreich, Deutschland, den Beneluxstaaten und Grossbritannien beliefert Blizzard ein Netzwerk von Händlern, wohingegen in allen übrigen Ländern die Produktdistribution durch Zentralvertreter organisiert ist.

Unternehmensvision
Blizzard konzentriert sich voll und ganz auf die Produktion moderner und dynamischer Skier. Man will dem Kunden dabei nicht nur ein hochwertiges Sportprodukt bieten, sondern ein Skigefühl der besonderen Art:

"Blizzard – HighTech Emotion"


Stellenwert von Informatik und E-Business
Blizzard war vor der Übernahme durch die Tecnica Gruppe gekennzeichnet von einem stark traditionellen Unternehmensverständnis mit der Konzentration auf eine „sportliche“ Skiproduktion. Die Innovationspotenziale einer integrierten IT-Landschaft, insbesondere zur Beschleunigung und transparenten Umsetzung von Prozessen wurden nicht gezielt untersucht und folglich auch nicht genutzt. Die Anwendungslandschaft im Unternehmen war gekennzeichnet von mannigfaltigen, zumeist selbst entworfenen Insellösungen, oftmals allein auf der Basis von Microsoft Office Produkten. Dem Nutzen der IT-Abteilung stand man skeptisch gegenüber und sah diese primär als Kostenstelle – nicht als Enabler.

Mit der Übernahme des Unternehmens in die Tecnica Gruppe erging die Anforderung, Prozesse transparenter zu gestalten und den elektronischen Datenaustausch mit der „Mutter“ zu ermöglichen. Diese Ziele sollten mit der Einführung eines ERP-Systems, das die nicht integrierten Insellösungen ersetzte, erreicht werden. Gleichzeitig versuchte man im Unternehmen, die Potenziale einer integrierten IT-Landschaft zu verdeutlichen und den Kulturwandel so zu gestalten, dass IT als Service und strategischer Nutzenbringer akzeptiert wird. Daraus wurde der folgende IT-Leitsatz abgeleitet, der den angestrebten kulturellen Wandel bei Blizzard gut verdeutlicht.

"HighTech Ski und HighTech Software gehen gemeinsam auf die Piste"


Erste wegweisende Ergebnisse wurden mit dem hier beschriebenen Projekt – der Einführung des ERP-Systems Semiramis – erzielt. Die Einführung ermöglichte neue operative Unternehmensprozesse, wodurch Blizzard in der Lage ist, sowohl die eigenen als auch die Skier von Nordica zu produzieren, was einer Verdopplung des Produktionsumfangs innerhalb eines Jahres entsprach.

2. Der Auslöser de Projekts

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Nachdem Blizzard im Jahr 2007 durch die Tecnica Gruppe übernommen wurde, war schnell offensichtlich, dass das Unternehmen seine interne Transparenz bezüglich der Prozesse erhöhen musste. So war es mit Hilfe der heterogenen Altsysteme zum Beispiel nicht leicht möglich, mittels einfacher Anfrage (also „auf Knopfdruck“) in Erfahrung zu bringen, wie viele Paar Ski an einem bestimmten Tag produziert wurden. Dieser Zustand war insbesondere aus der Management-Sicht untragbar.

Die „Mutter“ forderte vereinfachte Möglichkeiten des internen Datenaustausches, die mit den Altsystemen unmöglich waren. Zusätzliches Manko war die mangelnde Fähigkeit zur Sprachkonfiguration in den Altsystemen, die durch die Mehrsprachigkeit im Unternehmen (v. a. Italienisch, Englisch und Deutsch) einen hohen Stellenwert bekam.

Die Ausgangslage bezüglich der IT-Altsysteme vor dem Projekt wurde analysiert und als „schwierig“ beschrieben. Es gab keine integrierte Datenhaltung sondern nur Insellösungen, die teilweise nicht mehr richtig bedient werden konnten, da die Know-how-Träger das Unternehmen verlassen hatten. Einfache Anfragen lieferten unterschiedliche Werte und das Vertrauen in die Systeme war nicht mehr vorhanden.

Dieser Mangel an Transparenz und Integration war neben den Forderungen der „Mutter“ nach Datenschnittstellen Anlass, das Projekt zu beginnen.

Vorstellung der Geschäftspartner
Im Rahmen der Einführung eines neuen ERP-Systems entschied man sich zur Zusammenarbeit mit der SoftM Solutions GmbH und deren ERP-Lösung Semiramis.

Anbieter von Business Software, Implementierungspartner
Die SoftM Solutions GmbH ist spezialisiert in Entwicklung, Vertrieb, Implementierung und Support von Lösungen im Bereich Rechnungswesen und ERP. Stellvertretend seien die Produkte SoftM Suite und Semiramis genannt.

Im Jahr 2008 erwirtschaftete SoftM einen Umsatz von 56.6 Mio. EUR. Dabei entfielen auf das Geschäftsfeld Standardsoftware 20.5 Mio., auf das Geschäftsfeld Beratung 17.5 Mio. und auf das Geschäftsfeld Systemintegration 18.6 Mio. EUR. Das Unternehmen beschäftigte 2008 durchschnittlich 417 Mitarbeitende.

3. Der Ski als Saisonartikel - Forecast und Nachorder aus Vertriebssicht

Die nachfolgenden Abschnitte beschreiben den Nachorder-Prozess aus der Geschäftssicht, Prozesssicht, Anwendungssicht und der technischen Sicht.

Geschäftssicht und Ziele
Das Skigeschäft ist starken saisonalen Schwankungen unterlegen. Die Hauptlieferzeit ist von September bis Januar. Das bedeutet, dass in den Sommermonaten die Skihersteller ihre Produktion, angelehnt an hypothetischen Verkaufszahlen, realisieren müssen. Dazu wird, beginnend ab Januar, im monatlichen Rhythmus ein Forecast in Zusammenarbeit mit dem Händlernetz bzw. den Generaldistributeuren erhoben. Von März bis Oktober erfolgt im Wesentlichen die Produktion. Die Kunden haben sich für die Saison zu Abnahmemengen verpflichtet. Der Trend im Ski-Breitensport geht immer stärker zum Verleihski. Der Endkunde möchte aktuelle, trendige Skier nutzen. Deshalb ist der Forecast zunehmend unzuverlässiger und es kommt von Oktober bis in den Januar hinein häufiger zu Nachbestellungen der Kunden von Blizzard. Der Prozess des Nachorderns wird in den folgenden Abschnitten näher betrachtet.


Abb. 1: Business Szenario: Nachorder bei Blizzard

Für anfallende Nachbestellungen muss der Vertrieb auskunftsfähig über den (noch, bzw. bald) verfügbaren Bestand sein. Durch das ERP-System Semiramis (eine integrierte Gesamtlösung, die offene Aufträge, Produktionsumfang und Lagerbestand transparent und in Echtzeit darstellt) wird der Vertrieb in die Lage versetzt, den Kunden schnell und zuverlässig Auskünfte im Nachorder-Prozess zu geben.
Eine Nachorder wird vom Kunden (Händler oder Generalvertreter) zumeist per Telefon oder Mail angestossen. Der so kontaktierte Vertriebsmitarbeiter prüft, ob eine gewünschte Nachorder erfolgen kann (Abgleich mit offenen Aufträgen, Produktion und Lagerhaltung) oder gewisse Bestandteile der Order nicht erfüllbar sind. Im Falle der Nichterfüllbarkeit eines Orderwunsches kann die Vertriebsabteilung dem Kunden Alternativvorschläge unterbreiten (vgl. Abb.1)

Erst durch die ERP-Lösung Semiramis, die ca. 95 % aller operativen Unternehmensprozesse abdeckt und dadurch eine hohe Transparenz und Integration bietet, ist die Vertriebsabteilung in der Lage, einem Kunden direkt Auskunft zu geben. Der Verkäufer verfügt heute über die notwendigen Informationen, um zu beurteilen, ob eine gewünschte Nachorder erfolgen kann oder geändert werden muss. Im Falle der Nichterfüllbarkeit eines Orderwunsches kann die Vertriebsabteilung dem Kunden verzugslos Alternativvorschläge unterbreiten. Dieser Prozess ist mit Semiramis in Echtzeit durchführbar. Dadurch wird eine Nachorder in der Regel direkt am Telefon beauftragt, wobei die gewünschten Artikel durch das ERP-System reserviert werden und die Auftragsbearbeitung angestossen wird.

Prozesssicht
Der Nachorder-Prozess (vgl. Abb. 2) wird ausgelöst durch den eingehenden Nachorderwunsch (Telefon oder Mail) eines Kunden. Der Vertrieb prüft die Verfügbarkeit des gewünschten Bestands. Die Prüfung umfasst einen Abgleich von offenen, noch zu liefernden Aufträgen, dem Lagerbestand und den noch ausstehenden Produktionsaufträgen. Im Falle der Nichtverfügbarkeit kann der Vertriebsmitarbeiter dem Kunden Alternativangebote unterbreiten. Der Prozess endet an dieser Stelle, wenn der Kunde keinen Alternativvorschlag annimmt.

Ist der gewünschte Bestand verfügbar oder der Kunde entscheidet sich für angebotene Alternativen – es liegt also ein Orderwunsch seitens des Kunden vor – wird die Nachorder ausgeführt. Der Kunde hat die Wahl, ob er die Erstellung eines expliziten Angebots wünscht. Wünscht er ein Angebot, so erstellt der Vertrieb ein Dokument und übermittelt es dem Kunden (in der dargestellten Prozesssicht wird nur der Fall berücksichtigt, bei dem der Kunde das Angebot nach Prüfung akzeptiert). Der Kunde kann auf die explizite Angebotserstellung auch verzichten, in beiden Fällen (Angebot oder nicht) wird der für die Order relevante Bestand reserviert und der Kunde erhält eine Reservierungsbestätigung. Das ERP-System legt für die Order einen Auftrag an und der Kunde erhält eine Auftragsbestätigung auf dem gewünschten Wege (z. B. per Post oder E-Mail). Semiramis als integrierte Gesamtlösung unterstützt den kompletten Nachorder-Prozess und ermöglicht es, den dargestellten Prozess in einem einzigen Telefonat abzuarbeiten. Vorher waren mehrere Prüfschritte und Kontaktaufnahmen mit dem Kunden nötig.


Abb. 2: Prozesssicht: : „Nachorder“ bei Blizzard

Anwendungssicht
Der Zugriff auf das vollständig in Java programmierte und modular durch sogenannte Frameworks (Module) erweiterbare ERP-System Semiramis erfolgt durch die Blizzard-Mitarbeitenden komplett über den Browser (das System ist speziell auf den MS Internet Explorer ausgerichtet).

Mittelfristig ist geplant, auch Kunden eine elektronische Schnittstelle zum ERP-System bereitzustellen (vgl. Abb. 3). Im Falle einer Nachorder erfolgt der Kontakt vom Kunden heute per E-Mail oder Telefon und ein Vertriebsmitarbeiter wickelt mit dem Kunden die Nachorder ab. Ab der Kontaktaufnahme erfolgt die Abwicklung komplett im ERP-System und es kommt zu keinen weiteren Medienbrüchen.


Abb. 3: Anwendungssicht auf die ERP-Lösung von Blizzard

Die Firma Blizzard setzt folgende „Frameworks“ von Semiramis ein: Basis-Framework, Vertrieb, Beschaffung und Lagerlogistik, Disposition, Produktion, Kalkulation, Business Intelligence (BI) Cockpit, Service und Instandhaltung, Rechnungswesen, Controlling, Workflow und Dokumentenmanagement.

Technische Sicht
Abb. 4 zeigt die zum Einsatz kommende, technische Infrastruktur der ERP-Installation bei Blizzard.


Abb. 4: Sicht auf die technische Infrastruktur von Blizzard

Der Zugriff auf das Semiramis ERP-System (per Browser) ist nur mit entsprechendem Sicherheitszertifikat möglich, das im Browser installiert sein muss. Ist ein solches Zertifikat vorhanden, ist der Zugang sowohl aus dem Intranet als auch aus dem Internet möglich – unabhängig von der Bandbreite der Verbindung und dem Ort des Zugreifenden.

4. Projektablauf und Betrieb

Als Blizzard Ende 2006 zur Tecnica Gruppe kam, wurden sowohl die Managementprozesse als auch die IT-Systeme analysiert und als verbesserungswürdig erachtet. Schnell war klar, dass es ein Change Projekt geben musste, um die Wettbewerbsfähigkeit des Skiproduzenten zu gewährleisten.

Investitionsentscheidung
Bei der Entscheidung, welches ERP-System für das mittelständische Unternehmen in Frage kommt, liess Tecnica Blizzard freie Hand. Zunächst versuchte man, im Vorfeld Branchenspezialisten zu finden, da man sich bewusst war, dass viele existierende Prozesse im Unternehmen nicht geeignet waren, durch Software exakt umgesetzt zu werden. Es war von Anfang an die Entscheidung getroffen worden, dass man zunächst die Standardprozesse der Software übernehmen würde. Branchenspezialisten, die sich auf die Skiproduktion ausgerichtet waren, konnte man nicht ausfindig machen.

Nachdem man sich einige ERP-Anbieter angesehen hatte (Internetrecherche, Fallstudien und persönliche Referenzen), blieben drei Anbieter in der engeren Auswahl [Systemevaluation]. Diese waren Microsoft mit Dynamics NAV, eine gehostete Lösung auf SAP-Basis und SoftM mit Semiramis. Die verbliebenen Systeme wurden einer SWOT-Analyse unterzogen. Man definierte neun Auswahlkriterien und ordnete die Systeme nach erstem, zweitem und drittem Platz. Am Ende wurden die Platzierungen gemittelt (vgl. Tab. 1). Semiramis wurde dabei von allen als die geeignetste Lösung für das Unternehmen angesehen und der Geschäftsführung, sowie dem Management der Tecnica Gruppe vorgeschlagen. Diese gab im Juli 2008 grünes Licht zur Einführung.

Tab. 1: Auswahlverfahren für das ERP-System (1 = beste Note)


Projektmanagement und Change Management
Der leitende Controller und Verantwortliche für die unternehmensweite IT sowie späterer Gesamtprojektverantwortliche, war sich der kulturellen Herausforderungen, die das Change Projekt mit sich bringen würde, durchaus bewusst. Bereits mehrmals wurde in der Vergangenheit erfolglos versucht, eine ERP-Software einzuführen.

Um den möglichen Risiken zu begegnen, wurde ein kurzes (Ende 2007 bis Februar 2008) aber wichtiges Analyseprojekt durchgeführt, das die Arbeitsweise für das Gesamtprojekt nachhaltig prägen sollte. Unter der moderierenden Leitung des Projektverantwortlichen, wurden Key User und Abteilungsleiter von Blizzard in das Projekt integriert und bildeten bereits ab diesem Zeitpunkt den Kern des Projektteams. Dadurch gelang es zugleich, sowohl Skeptiker als auch Multiplikatoren positiv in das Projekt einzubinden.
Im Vorprojekt wurde ergebnisoffen geprüft, welche Strategie für den Umbau der IT die richtige ist: (1) die Einführung eines komplett neuen ERP-Systems oder (2) die Altsysteme zu erweitern und so anzupassen, dass die gemeinsamen Ziele erreicht werden. Um für diese Grundsatzfrage eine konsensfähige Entscheidung herbeizuführen, wurden Anforderungen definiert, die erfüllt werden mussten und für jedes Altsystem eine SWOT-Analyse durchgeführt, die als Ergebnis eine Bewertung liefern sollte, was mit diesem System geschehen sollte. Wichtige Punkte dieser Analyse waren z. B. softwarebedingte Aspekte, wie Datenkonsistenz oder Geschwindigkeit aber auch organisationale Aspekte, wie Investitionssicherheit oder Upgradefähigkeit.

Entstehung und Roll-out der Lösung
Der Projektplan war zeitlich knapp bemessen und forderte sowohl vom Projektteam als auch den Fachabteilungen hohes Engagement (vgl. Tab. 2). Hohen Anteil an der reibungsarmen ERP-Einführung hatte der technische Projektleiter. Er war in einer früheren Anstellung bereits bei Blizzard in der IT tätig und wechselte später als Consultant zur Firma KTW (2007 in SoftM aufgegangen), wo er Semiramis mitentwickelte. Er konnte als technischer Projektleiter für das ERP-Vorhaben durch Blizzard gewonnen werden. Er kannte beide Welten sehr gut und war in der Lage, die Sichten zu integrieren. Das half dem Projekt ungemein und sparte aus Sicht des Gesamtleitenden viel Zeit.

Weitere Erfolgsfaktoren für die Einführung waren das Einbinden der Skeptiker im Unternehmen. Es galt, die Auffassung zu verbreiten, dass eine ERP-Einführung kein IT Projekt sondern ein Projekt der Fachabteilungen ist. Letztere mussten überzeugt werden, den Willen und die Stärke liebgewonnener Prozesse zu Gunsten der Effizienz durch die Software aufzugeben („alte Zöpfe abzuschneiden“). Der Projektleiter war bestrebt, das Projekt mit Teamgeist zu gestalten und dafür zu sorgen, dass der Projektstand immer im Unternehmen und vor allem im Projektteam bekannt war. Die Mitarbeitenden hatten notwendige Freiräume und gleichzeitig das Bewusstsein, das Projekt nicht als Erfolgsgeschichte für sich zu gestalten, sondern als Erfolg für ihre Abteilungen. Tab. 2 listet die Projektaktivitäten im zeitlichen Ablauf.

Die Einführung der Lösung war als Big Bang geplant. Der Zeitplan des Projektes wurde im Grossen und Ganzen gehalten und der Vertrieb ging wie geplant im Januar produktiv. Allerdings stellte man fest, dass die Komplexität der Produktion doch grösser war als erwartet und zudem die Altdaten schlechter als gedacht. Man nutzte eine Woche Betriebsferien im Februar, um die Produktion ebenfalls ins System zu integrieren. . Diese Woche ermöglichte den reibungslosen Übergang.

Tab. 2: Der zeitliche Projektablauf


Laufender Unterhalt
Die gesamte Lösung befindet sich auf Servern im Unternehmen. Blizzard hat mit SoftM Wartungsverträge und kann jederzeit sowohl telefonisch als auch über das Kundenportal mit SoftM in Verbindung treten. Der Wartungsvertrag umfasst Bugfixes und Updates der Software. Standardmässig kalkuliert SoftM einen Wartungskostenbetrag von ca. 18 % der Lizenzpreiskosten pro Jahr.

5. Erfahrungen

Die neu eingeführte ERP-Lösung hat die Erwartungen von Blizzard zu voller Zufriedenheit erfüllt. Die Herausforderung, die zusätzliche Skiproduktion der Nordica Skier in kurzer Zeit zu übernehmen, konnte durch die Transparenz und Datenintegration, die Semiramis ermöglichte, gemeistert werden.

Nutzerakzeptanz
Die Akzeptanz des Systems und die Zufriedenheit der Nutzer sind sehr hoch. Hierfür sind unterschiedliche Aspekte ausschlaggebend. Das System stellt eine integrierte Lösung dar, mit welcher ca. 95 % der operativen Unternehmensprozesse abgewickelt werden können. Dadurch gibt es nahezu keine Systembrüche in der täglichen Arbeit und der Schulungsaufwand in mehreren Systemen fällt für die Nutzer weg. Zudem ist die browserbasierte Bedienoberfläche optisch sehr ansprechend und einfach bedienbar. Gerade in Anbetracht der Skepsis vor einer computerbasierten, automatisierten Gesamtlösung, die vor der Einführung an einigen Stellen spürbar war, ist dies ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das System wird sowohl vom Vertriebsmitarbeiter als auch vom Meister an der Skipresse gern genutzt. Bedienkonzepte sind über die Anwendung konsistent umgesetzt und kommen, wie z.B. die clevere Nutzung von Hyperlinks zum schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Anwendungsteilen, sehr gut an. Die Semiramis Output Management (SOM) Komponente ist eine grosse Arbeitserleichterung. Mit ihr können Dokumente in beliebigen Formaten erstellt und ausgetauscht werden.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Die Hauptziele der ERP-Einführung waren die Transparenz in den Prozessen und die Schaffung der Möglichkeit des Datenaustauschs mit der Konzernmutter. Beide Ziele sind durch die erfolgreiche Einführung von Semiramis erfüllt worden. Folgende beispielhafte Veränderung im Vertrieb ist bezeichnend für den Erfolg der ERP-Einführung: Vor der Einführung von Semiramis hatte der Vertrieb Schwierigkeiten, einem Kunden schnell und zuverlässig eine Auskunft zu geben, ob eine gewünschte Bestellung ausführbar oder der gewünschte Bestand aktuell nicht verfügbar ist. Heute können die Blizzard-Mitarbeitenden dank Semiramis sogar auf Messen auf das webbasierte System zugreifen und ad hoc zuverlässig Auskünfte über verfügbare Bestände geben, sowie bei Bedarf direkt am Messestand Orderwünsche oder Forecasts erfassen und bearbeiten.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
SoftM beziffert die Kosten für eine ähnliche Installation in der Grössenordnung für ein Unternehmen wie Blizzard auf knapp unter 200.000.- EUR. Diese Kosten gliedern sich anteilig auf in Lizenzkosten (ca. 53 %), Kosten für Hardwareanschaffungen (ca. 7 %) und Kosten für Dienstleistungen seitens des IT-Partners (ca. 40 %). Da die ERP-Lösung erst ein halbes Jahr im Produktiveinsatz ist, wurde noch keine Return-on-Investment-Rechnung angestellt.

6. Erfolgsfaktoren

Das ERP-System Semiramis wurde mit dem Ziel eingeführt, die zahlreichen, meist auf MS Office-Produkten basierenden Insellösungen abzulösen. Es kam also nicht darauf an, eine auf einen bestimmten, elaborierten Prozess angepasste Softwarelösung einzuführen. Die Entscheidung fiel bewusst für eine Lösung, die hilft, Standardprozesse im Unternehmen einzuführen und zu etablieren.

Spezialitäten der Lösung
Semiramis ist klientenfähig, was eine Nutzung im Werk in Chop ermöglicht, ohne weitere Server zu unterhalten. Darüber hinaus ist Semiramis ein Client-/Server-System, das als Client den Browser benutzt. Dadurch ergibt sich eine komplette Ortsunabhängigkeit und die Möglichkeit, Mehrsprachigkeit zu realisieren. Dieser Vorteil macht sich im Betrieb z.B. auf Messen bemerkbar, da die etablierten Workflows eins zu eins umgesetzt werden können. Die Vertriebsmitarbeiter sind sofort auskunftsfähig und können die wichtigen Forecastdaten erheben bzw. ergänzen. Semiramis ist sehr flexibel. Es ist sehr schnell möglich, ohne Programmieraufwand Datenfelder zu integrieren und Konsistenzbedingungen für die Datenbasis zu bestimmen. So lassen sich mit Hilfe der Workflows schnell Prozesse anpassen.

Reflexion der Faktoren für dauerhaften Erfolg
Wie bereits erwähnt war das Primärziel der Einführung des ERP-Systems die Transparenz im Unternehmen zu erhöhen. Die Fachabteilungen haben durch die Einführung eines integrierten ERP-Systems ein Bewusstsein dafür entwickelt, was Veränderungen in der Produktion oder im Vertrieb für andere Abteilungen im Unternehmen bedeuten. Die Einzelprozesse sind heute transparenter und die Mitarbeitenden sind in der Lage, Verbesserungspotenziale nicht nur zu erkennen sondern vor allem zu implementieren. Somit wird die Software nicht primär als Mittel gesehen, um kurzfristig Kosten zu sparen sondern sie animiert die Mitarbeitenden, neue Wege zu denken und unterstützt Veränderungen. Besonders im Vertrieb ist eine Veränderung spürbar, weil Kunden positiv auf das neue Erscheinungsbild von Fakturen und Angeboten reagieren aber vor allem, weil Aufträge sofort am Telefon bestätigt werden können, da die Mitarbeitenden heute alle Daten der Produktion, Lagerhaltung und die der offenen Aufträge auf einen Blick haben und sofort auskunftsfähig gegenüber dem Kunden sind.

Lessons Learned
Die wichtigste Lektion aus dem Projekt war die Erkenntnis, dass die Offenheit zum Kulturwandel der ausschlaggebende Aspekt für den Erfolg ist. Die Einbindung der Skeptiker zu agierenden und handelnden Akteuren war ein entscheidender Schritt. Aber auch die permanente Kommunikation im Unternehmen und im Projektteam war ein entscheidender Faktor. Die Mitarbeitenden der Fachabteilungen müssen ihren Kollegen, die mit dem Projekt beauftragt sind, Freiräume schaffen und deren Arbeit mit erledigen. Diese Lastenteilung funktionierte sehr gut, da alle Mitarbeitenden einbezogen und informiert waren. Es war ein Unternehmensprojekt und kein Projekt der Projektgruppe. Ein weiterer Faktor für den Erfolg war der ehrliche Umgang mit Zielen und Risiken. Die Ziele waren transparent, bekannt und erreichbar.

Aktualisiert am 08/28/2013
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