Massenprozesse in Dienstleistungsunternehmen – eine kurze Einführung
Die stetige Steigerung der Komplexität und Dynamik von Geschäftsprozessen, steigende Qualitätsanforderungen, permanenter Kostendruck, hohe Anforderungen an Prozesstransparenz [Allweyer 2005] und „Forderungen nach Flexibilität, Dezentralisierung und Interoperabilität“ [Vanderhaeghen et al. 2005] stellen Dienstleistungsunternehmen vor große Herausforderungen [Schmelzer/Sesselmann 2008]. Darüber hinaus erfahren Prozesse durch die zunehmende abteilungs- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit eine zusätzliche Komplexität, so dass ein Verständnis für Prozesse und Qualitätsaspekte bei den involvierten Personen von Vorteil ist [Davenport 2005; Kirchmer 2004].
Die Fertigungsindustrie (z.B. Automobilfertigung) bedient sich seit Jahrzehnten bereits mit großem Erfolg verschiedener Methoden des Prozessmanagements. Diese Erkenntnis wird ein Grund dafür gewesen sein, dass Scheer im Jahr 1995 die Überlegung anstellte, dass es „bei einer generalisierten Betrachtung eines Geschäftsprozesses“ keinen „Unterschied zwischen einem Dienstleistungsprozeß und einem Fertigungsprozeß“ gäbe [Scheer 1995, S. 8]. Allein die Art der Transformation unterscheide Industrieprozesse (Materialtransformation) von Dienstleistungsprozessen (Datentransformation). Die Methoden zur Beschreibung von Industrieprozessen können laut Scheer auf Dienstleistungsprozesse „ohne weiteres übertragen werden“ [Scheer 1995, S. 8]. Scheer schlug vor, zu prüfen, ob Dienstleistungsunternehmen generell von den Geschäftsprozessmanagementmethoden der Industriebetriebe profitieren können.
Vor dem Hintergrund, dass industrielle Methoden des Geschäftsprozessmanagements durchaus auf Dienstleistungsunternehmen übertragen werden können, sind in den letzten Jahren „Prozessfabriken“ entstanden, die anderen Dienstleistungsunternehmen anbieten, deren Geschäftsprozesse unter Zuhilfenahme von industriellen Geschäftsprozessmanagementmethoden abzuarbeiten.
Nachfolgende und ähnliche Fragen muss das Management moderner Dienstleistungsunternehmen heute zunehmend klären, insbesondere dann, wenn es um Massenprozesse geht, Prozesse also, die in großen Fallzahlen pro Zeiteinheit auftreten:
- Muss ein Dienstleistungsunternehmen heutzutage alle für seine Leistungserbringung notwendigen Prozesse selbst durchführen?
- Können auf die industrielle Abarbeitung von Dienstleitungsprozessen spezialisierte Prozessfabriken bestimmte Prozesse ggf. nicht besser und preisgünstiger als das Dienstleistungsunternehmen selbst durchführen?
- Würde der flexible Einkauf von Personalkapazitäten zur prozessorientierten Vorgangsbearbeitung neben dem Kostenvorteil nicht auch einen Flexibilitätsvorteil gegenüber dem Wettbewerb einbringen?
Allweyer führt hierzu aus: „Bereits geringe Kostenunterschiede sorgen bei sehr hohem Volumen insgesamt für deutliche Einsparpotenziale“ [Allweyer 2005, S. 70]. Mit der Zuwendung zum Management von Massenprozessen in Dienstleistungsunternehmen, kommt dem Monitoring und der Steuerung von Prozessen eine zunehmende Bedeutung zu, da immer mehr gesetzliche Auflagen, aber auch die Vorgaben von Partnern, die Einhaltung von bestimmten Fristen und Qualitäten voraussetzen. Mag diese Einhaltung bei wenigen Prozessen pro Zeiteinheit noch mit Papier und Bleistift zu bewerkstelligen sein, sind Massenprozesse, die mehrere tausend Mal pro Tag vorkommen, nur noch mittels integrierter Software-Werkzeuge zu beherrschen. Aber nicht nur die Vorgangsbearbeitung und Steuerung von Dienstleistungsprozessen an sich wird zunehmend lukrativ, auch die damit einhergehende Personaleinsatzplanung, das (automatisierte) Reporting gegenüber dem Auftraggeber und die Auswertung der anfallenden Massendaten im Rahmen eines Business Intelligence Ansatzes beinhalten ein hohes Optimierungspotenzial.
Das Unternehmen DSGF – Hintergründe
Die DSGF – Deutsche Servicegesellschaft für Finanzdienstleister mbH – ist ein Full-Service-Dienstleister für Back-Office-Prozesse in der Sparkassenorganisation. Sie ist ein strategischer Partner der Finanz Informatik, dem zentralen IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe, dessen Angebot von der Entwicklung und Bereitstellung von IT-Anwendungen, Netzwerken und technischer Infrastruktur über den Rechenzentrumsbetrieb bis hin zu Beratung, Schulung und Support für Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen reicht. Darüber hinaus stellt die Finanz Informatik mit der Gesamtbanklösung OSPlus eines der führenden IT-Systeme für den deutschen Bankenmarkt mit dem nachgelagerten zentralen Datenarchiv (ZDA) zur Verfügung. Das Angebotsportfolio der DSGF umfasst auf der obersten Ebene die folgenden Dienstleistungsbereiche, die für über 140 Finanzinstitute erbracht werden:
- Euro-Zahlungsverkehr
- Auslandsgeschäft
- Beauftragtenwesen
- Elektronisches Dokumentenmanagement
- Marktfolge Aktiv
- Marktfolge Passiv/Dienstleistungen
Eine wesentliche Grundlage für das kostengünstige Angebot an Prozessdienstleistungen ist die ständige Überprüfung und Weiterentwicklung der Dienstleistungsprozesse mittels eines Qualitätsmanagementsystems. Das Qualitätsmanagementsystem der DSGF wurde 2010 im Geltungsbereich „Abwicklung von Sparkassenprodukten“ nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert.
Gegründet wurde die DSGF am 01.01.2006 aus der Sparkassen-Service-Gesellschaft mbH, Köln, und der DS Dresdner Sparkassenservice GmbH. Am 01.01.2007 erfolgte der Zusammenschluss mit der Zahlungsverkehrsbearbeitung des SZB ServiceZentrum Bayern GmbH & Co. KG. Die Eigentümerstruktur der neuen Gesellschaft besteht gänzlich aus Mitgliedern der Sparkassenorganisation.
Mit 495 Mitarbeitern erzielte die DSGF 2009 einen Umsatz von ca. 25 Mio. EUR. Die zentralen Dienstleistungen stammen aus dem Bereich Belegverarbeitung, in dem die DSGF mit 130 Mio. Belegen pro Jahr Marktführerin in Deutschland ist.
Branche
Die DSGF agiert prinzipiell im Bereich der Banken, hier vornehmlich bei inländischen Sparkassen. Das Unternehmen hat ein einige vergleichbare Wettbewerber, die Back-Office-Dienstleistungen im Sparkassen-Bereich anbieten. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die BankenService GmbH Berlin, die transactio® GmbH Nürnberg, die NRS Norddeutsche Retail-Service AG Hamburg sowie die ZVS Zahlungsverkehrs- und Transaktionsservicegesellschaft mbH Hamburg. Die DSGF ist ein Verbundpartner des Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sowie der regionalen Sparkassen- und Giroverbände.
Produkte
Das Unternehmen sieht sich als Full-Service-Anbieter für Back-Office-Prozesse in der Sparkassenorganisation, wobei im Rahmen der Leistungserstellung ein hoher Wert auf ein großes Maß an Qualität, fristgerechte Abwicklungen und die Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben gelegt wird. Als Unternehmen der Sparkassenfinanzgruppe richtet sich die DSGF zudem nach den Vorgaben der Verbände.
Die Produkte des Unternehmens unterstehen einer ständigen Prozessverbesserung im Rahmen des nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifizierten Qualitätsmanagementsystems. Es ist somit gewährleistet, dass unter den gegebenen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen stets schlanke und schnelle Prozesse angeboten werden können, was für den Kunden zu einem optimalen Preis-/Leistungsverhältnis bei minimalen Transaktionskosten führt.
Die Dienstleistungen der DSGF können aus den oben genannten Produktgruppen modular oder ganzheitlich in Anspruch genommen werden, je nach Bedarf des Kunden.
Zielgruppe
Das Geschäft der DSGF liegt rein im Bereich B2B. Die Zielgruppen sind primär deutsche Sparkassen, aber auch andere Finanzinstitute. Das Unternehmen betreibt kein Endkundengeschäft. Ziel der DSGF war die Erschließung des neuen Geschäftsfeldes Marktfolge Passiv/Dienstleistungen mit deutlich höherem Marktpotenzial als z.B. in der Belegverarbeitung. Der Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen erbringt standardisierte Marktfolgetätigkeiten rund um die Themen Kunde und Konto, mit den Produkten Giro, Kundendaten, Spar, Vollstreckungswesen, Spezialleistungen (z.B. Erbfallbehandlung), und Sonstige Dienstleistungen (z.B. Bearbeitung von Postrückläufern). Die Zielsetzung dabei ist durch Mengenbündelung und Synergienutzung eine Kostenoptimierung für die Mandanten (Sparkassen) zu erreichen. Diese Bündelung bei der DSGF trägt dazu bei, dass deren Mandanten sich besser auf die eigenen Kunden konzentrieren können und schlussendlich der Berater am Markt so entlastet wird, dass dieser seine Bearbeitungszeit optimal gemäß seiner eigentlichen Aufgabenstellung – der Kundenberatung bzw. dem Vertrieb von Geldprodukten – nutzen kann.
Unternehmensvision
Die DSGF ist der verlässliche, strategische und innovative Partner der Sparkassen für intelligentes Outsourcing von Back-Office-Prozessen. Das Unternehmen ist der bundesweite Full-Service Dienstleister mit regionaler Präsenz.
Stellenwert von Informationstechnologie im Unternehmen
Als strategischer Partner der Finanz Informatik ist die DSGF im Rahmen der Erbringung ihrer Dienstleistungen für Sparkassenkunden integriert in deren Infrastruktur. Die DSGF arbeitet mit der Finanz Informatik aktiv an strategischen Neuentwicklungen. Die DSGF verarbeitet eine hohe Anzahl wiederkehrender Vorgänge (Massenprozesse). Diese Art des Geschäfts macht eine sehr kosteneffiziente und prozessorientierte Vorgangsbearbeitung für die Kunden notwendig. Hohe Fallzahlen für unterschiedliche Mandanten in einer gleichbleibend hohen Qualität dauerhaft transparent zu gewährleisten ist nach Ansicht der DSGF nur mit einer Kombination aus angemessener Prozessgestaltung, integrierter Informationstechnologie (Hard- und Software) und bankfachlichen Spezialanwendungen (z.B. OS Plus der Finanz Informatik) zu bewältigen. Die DSGF ist ein Verbundpartner des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) sowie der regionalen Sparkassen- und Giroverbände in den Bereichen Geschäftsprozessmanagement, Technologie und zukünftige Erbringung von Sparkassen-Dienstleistungen. In den vorgenannten Gremien spielt die Informationstechnologie zur Erbringung von Bankdienstleistungen eine große Rolle.
3. Ausgangssituation für das Projekt (ex-ante Sicht)
Ausgangslage
Im Jahr 2009 entschied sich die Geschäftsführung der DSGF den Kunden des Unternehmens eine neue Dienstleistung anzubieten: Marktfolge Passiv/Dienstleistungen. Kurz gesagt beinhalten die Dienstleistungen in diesem Bereich alle Marktfolgetätigkeiten rund um das Thema Kunde und Konto.
Im Einzelnen sind dies die folgenden Dienstleistungen:
- Giro (Verfügungsberechtigung, Karten, Legitimationsdaten, Online-Banking)
- Kundendaten (Kundendaten, Abgeltungssteuer)
- Spar (Spar, Termineinlagen, Sonderkonten, Verfügung zu Gunsten Dritter)
- Spezial (Erbfall, Heirat/Trennung/Scheidung, Gläubigerwechsel, S VorsorgePlus)
- Vollstreckungswesen (Drittpfändung, Mahnbearbeitung, Disposition)
- Sonstige Dienstleistungen (Einzüge/Umzugsservice, Vorsorgevollmacht, Betreuung, Kundensafe, Postrückläufer)
Da der Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen bis jetzt noch selten von Sparkassen ausgelagert wird, sollte dieser schnell aufgebaut werden, um sich frühzeitig im neuen Wachstumssegment zu positionieren. Um die angestrebte Geschwindigkeit einhalten zu können, mussten alle für das Projekt notwendigen Anforderungen möglichst reibungslos umgesetzt werden. Die DSGF konnte für den Aufbau des Bereiches auf die Erfahrungen ihres Partners GKS (Gesellschaft für Kontoservice mbH, Köln) zurückgreifen. Bei der GKS setzt man bereits seit Jahren erfolgreich die Software awino® der HUEBINET GmbH & Co. KG zur Prozesssteuerung, zum Prozessmonitoring, zum Controlling und zur Prognose von Geschäftsprozessen ein.
Im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen spielen die Prozesssteuerung und das Prozessmonitoring eine entscheidende Rolle, daher wurde bereits zu Beginn des Projekts nach einer geeigneten Software gesucht. Prozesssteuerung und Monitoring setzt die DSGF z.B. im Rahmen der Preisfindung, (Nach)kalkulation, Personaleinsatzplanung ein. Die Kunden benötigen diese z.B. zur Nachverfolgung ihrer Aufträge sowie für die Kontrolle der Einhaltung vereinbarter Service Levels und Qualitäten.
Durch die vorhandenen Erfahrungen der GKS, nahm die DSGF zunächst das Gespräch mit HUEBINET auf. Weitere Anbieter wurden evaluiert, kamen aber aus verschiedenen Gründen nicht zum Zuge.
Mensch
Das Team des Geschäftsbereichs Marktfolge Passiv/Dienstleistungen bestand (und besteht noch heute) aus hoch qualifizierten Mitarbeitern mit einem durchschnittlich mehr als siebenjährigen Know-how aus den ausgelagerten Back-Office-Bereichen einer Großsparkasse. Alle Key Player kannten die bankfachlichen Prozesse im Back-Office-Bereich von Grund auf. Permanente interne und externe Weiterbildung sowie ein konsequentes Denken in (Teil-)Prozessen führten zu einer „fabrikmäßigen“ Ausrichtung der Organisation dieses Bereichs.
Organisation
Die DSGF war bereits zu Beginn des Projekts als bundesweit agierender Full-Service-Dienstleister mit einer regionalen Präsenz in Köln organisiert. Weitere Standorte sind Dresden, Grafenau, München und Nürnberg. Die enge Kommunikation und Kollaboration mit Wertschöpfungspartnern (d.h. mit den Sparkassen) zur effektiven Erbringung der Dienstleistungen führt zu teilweise komplexen Geschäftsprozessen. Diese Prozesse beginnen in der Sparkasse, werden dann an die DSGF übergeben, welche die Dienstleistung entweder durch Übernahme des Prozesses ab einer definierten Stelle oder im Rahmen von Teilprozessen erbringt und anschließend wieder an die Sparkasse zurückübermittelt.
Technik
Zu Beginn des Projekts wurden in der DSGF im Wesentlichen folgende für die Fallstudie relevante Produkte eingesetzt: FrontCollect® von BancTec für den Bereich Zahlungsverkehr, OSPlus der Finanz Informatik als Kernbankensystem. Für den neuen Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen wurde zur Prozessmodellierung das Werkzeug ADONIS® der BOC (inkl. einer zugekauften Prozessbibliothek der GKS) und zum Prozessmonitoring sowie zur Prozesssteuerung awino® der Firma HUEBINET eingeführt. Dabei werden die Rahmenparameter der mit ADONIS® modellierten Prozesse automatisiert nach awino® übertragen und dort zur Vorgangsbearbeitung und -steuerung genutzt. Neben der Integration mit ADONIS® besteht aus technischer Sicht eine enge Integration zwischen awino®, FrontCollect® und dem zentralen Datenarchiv (ZDA) der Finanz Informatik. Weiterhin besteht aufgrund der integrierten Prozesse eine enge technische Vernetzung mit den Wertschöpfungspartnern, d.h. mit den Sparkassen.
Motive und Ziele
Mit dem Aufbau eines neuen Bereiches soll weiteres Markt- und Wachstumspotenzial für die DSGF erschlossen werden, da in den bisherigen Bereichen nur noch ein geringes Marktwachstum zu erreichen ist bzw. der Markt der belegbehafteten Verarbeitung aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung tendenziell schrumpfen wird. Zukünftig sind kaum noch weitere Auslagerungen von Sparkassen in den angestammten Geschäftsbereichen der DSGF zu erwarten, da die Kundengruppe der Sparkassen nicht wächst und eine Sättigung weitgehend erreicht ist. Der Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen wird derzeit allerdings noch recht wenig von Sparkassen an Dienstleister ausgelagert. Zukünftig könnte hier ein Umdenken der Sparkassen auf breiter Front einsetzen, wenn die Sparkassendienstleister darstellen können, dass sie Kosten und Service preisgünstiger und effizienter anbieten können als der Kunde es selbst kann. Die Chancen für eine Etablierung dieses Geschäftszweiges stehen nach Aussage der DSGF gut. Die aktuell sehr positive Umsatzentwicklung bei der DSGF im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen bestätigt diese Ansicht.
Dieser Bereich eignet sich aufgrund der Struktur der für ihn typischen Massenprozesse hervorragend für eine fabrikorientierte Abarbeitung der Geschäftsvorgänge. Die hierfür notwendigen Strukturen sind in den industriell geprägten, auf Effizienz ausgelegten „Back-Office-Fabriken“ der DSFG bereits vorhanden, die Sparkassen müssten ihrerseits diese Arbeitsweise erst kostenintensiv etablieren, was aufgrund der bei ihnen beschränkten Economies of Scale und der bei Sparkassen zwangsweise vorherrschenden Tarifbindung für Mitarbeitergehälter schwerfallen sollte. Auch ist im Bankenbereich allgemein eine Tendenz zu erkennen, Bankmitarbeiter in ihrem Kerngeschäft, primär dem Verkauf von Geldprodukten, einzusetzen. Für diese Arbeiten sind allein schon aufgrund der rechtlichen Vorgaben hohe Qualifikationen vorauszusetzen, während bei der fabrikorientierten Prozessbearbeitung auch Personen ohne bankfachlichen Hintergrund eingesetzt werden können, was erfahrungsgemäß zu einer deutlichen Reduktion der Personalkosten führt. Um aber die Aufgaben eines Prozesses auch von Nicht-Bankfachleuten in dauerhaft hoher Qualität abarbeiten zu lassen, sind durchgehend detaillierte Prozessmodelle in Kombination mit einer integrierten IT-Unterstützung notwendig. Dem Monitoring der Dienstleistungen kommt hierbei eine zentrale Funktion zu, da sowohl interne Kunden (Kollegen, Teamleiter, Abteilungs- und Bereichsleiter, Geschäftsführer/Vorstände), aber auch externe Kunden ein hohes Bedürfnis an Transparenz in Bezug auf die Auftragsbearbeitung haben.
Motive für die Einführung der neuen Lösung awino® lagen vor allem darin, das anvisierte Wachstum im neuen Zukunftsbereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen mit dauerhaft hoher Qualität derart transparent abzubilden, dass die DSGF zu jeder Zeit einen Überblick über alle vom Kunden an das Unternehmen übergebenen Aufträge hat und diese inklusive des Personaleinsatzes in Echtzeit steuern kann, um vereinbarte Qualitäten und Fristen einzuhalten. Die gleiche Transparenz soll für den Kunden herrschen, der in Echtzeit in die Lage versetzt werden soll, den aktuellen Stand seiner Aufträge nachzuvollziehen. Gesucht wurde deshalb ein ganzheitliches Auftragssteuerungs- und Controllingsystem, das vorgenannte Steuerungs- und Transparenzanforderungen zur Verfügung stellt. Aufgrund der Tatsache, dass beim Monitoring von Massenprozessen Daten über die Erfüllung von bestimmten Meilensteinen innerhalb der von der DSGF abzuarbeitenden Prozesse erhoben werden müssen, fallen im Laufe der Zeit eine große Menge an Daten an, die für die Prognose von Geschäftsprozessen genutzt werden können. Die Auswertung z.B. im Rahmen der Prognose von in der Zukunft zu erwartenden Auslastungsgraden in den jeweiligen Teams ist eine zusätzliche Herausforderung, die von einer Softwarelösung abzubilden ist. awino® stellte hierfür eine Lösung dar, die sich bereits vor der Einführung bei der DSGF in einem mehrjährigen erfolgreichen Einsatz im Rahmen der Produktionssteuerung bei einer Bankenfabrik mit hohen Fallzahlen im Sparkassen Back-Office-Bereich beim Partner GKS bewährt hatte.
Die zentralen Herausforderungen im Rahmen des hier beschriebenen Projekts waren die Einführung eines erprobten Produktionssteuerungssystems in kurzer Zeit, die notwendige hohe Skalierbarkeit der Software und die flexible und schnell zu realisierende technische Anbindung an das bestehende System FrontCollect®. Mit FrontCollect® wird der gesamte Posteingang von Sparkassen in einem standardisierten Prozess automatisch und rationell verarbeitet. Die Technologie des Systems erlaubt der DSGF das mandantenspezifische Auslesen und Validieren von bestimmten Daten mit einem hohen Automationsgrad über alle Standorte hinweg. Die Kunden der DSGF können FrontCollect® als Outsourcing-Dienstleistung oder auch dezentral bei sich, zum selbsttätigen Scannen, Indizieren und Korrigieren, in Anspruch nehmen.
Initiiert wurde das Projekt der Etablierung des neuen Bereiches Marktfolge Passiv/Dienstleistungen von dessen Leiter gemeinsam mit der Geschäftsleitung der DSGF.
Erwarteter Nutzen
Die Einführung von awino® sollte vor allem den schnellen Einstieg in den Geschäftsbereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen gewährleisten. Eine schnelle Einsatzfähigkeit der Software, eine optimale Unterstützung auch für Nicht-Bankfachleute in sehr spezifischen Einsatzbereichen mit verschiedenen Mandanten, stellte eine Grundvoraussetzung dar. Auch die schnellen und individuellen Anpassungsmöglichkeiten und Erweiterungen aufgrund von Kundenanforderungen sowie die Anbindung von bestehenden Systemen (FrontCollect®) wurden gewünscht.
Darüber hinaus sollte natürlich auch die Prozessbearbeitung, die von der DSGF an ihre Kunden als Outsourcing-Dienstleistung angeboten wird, durch standardisierte Prozesse einfach und effizient vonstattengehen. Auch große Prozessmengen (Massenprozesse), wie sie für den Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen aufgrund seiner Nähe zu den vielfältigen Endkundenprodukten (siehe "Ausgangslage") zu erwarten wären sollten kein Problem darstellen, wobei eine permanente Transparenz sowohl für die eigene Produktion und interne Steuerung als auch für den jeweiligen Kunden gewährleistet sein sollte. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Prozesse nicht in einem einheitlichen Format zur Bearbeitung angeliefert werden, sondern dass die Prozesskette sowohl papiergebunden als auch vollelektronisch abgearbeitet werden kann. Es musste die Möglichkeit geschaffen werden, unterschiedliche Mandanten auf dieselbe Weise oder aber in unterschiedlichen Formen/zu unterschiedlichen Kosten zu bedienen (z.B. auch nur Teilprozesse, kollaborative Prozesse). Auch die detailliert nachvollziehbare Leistungsverrechnung einzelner Rechnungspositionen für jeden Mandanten sollte umgesetzt werden.
Abb. 1: Cockpit in awino®
Als Messgrößen wurden vorgegeben: Bearbeitungszeit eines jeden Vorgangs von Eingang bis zum Abschluss (Durchlaufzeit) sowie die erbrachten Anzahlen je Prozess/Zeiteinheit; weiterhin bekannt ist die gesamte zur Bearbeitung verfügbare Mitarbeiterkapazität, was einen Rückschluss auf die geplante/wirkliche Teamauslastung zulässt.
Im ersten Schritt war der Einsatz im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen vorgesehen, danach für einen späteren Zeitpunkt die Ausweitung auf andere Unternehmensbereiche geplant. Aktuell wird awino® zusätzlich bereits in den Bereichen „Auslandszahlungsverkehr“ sowie „sonstiger Zahlungsverkehr“ eingesetzt. Durch die teamübergreifende Arbeit mit awino® und den Auswertungs- und Steuerungsmöglichkeiten, die das System liefert, könnte die gesamte Organisation der DSGF von der Sachbearbeiterebene, auf der einzelne Vorgänge betrachtet werden, bis zur Geschäftsführungsebene, die ein Monitoring von Abteilungen, Bereichen oder Tochterunternehmen vornehmen kann, profitieren.
Abb. 2: Monitoring: Geschlossene Aufträge in awino®
In den folgenden Screenshots (Abb. 1 bis Abb. 3) sind verschiedene Monitoringsichten aus awino® dargestellt, z.B. die Liste der aktuell zu bearbeitenden Aufträge eines Teams inkl. deren Fristeinhaltung durch Ampel-Farbgebung („Cockpit“, Abb. 1); das Monitoring der Gesamtsituation aller Aufträge, (Monitoring, Abb. 2) sowie eine auch für den Mandanten realisierte Darstellung des aktuellen Bearbeitungstands, bezogen auf offene Aufträge (Abb. 3).
Im Cockpit, dargestellt in Abb. 1, sind die Aufträge, entsprechend ihrer Frist zur Bearbeitung angezeigt. Anhand der unterschiedlichen Farbgebung der einzelnen Aufträge ist zu erkennen, welcher Auftrag bereits außer Frist gelaufen ist (rot), welcher Auftrag unmittelbar bearbeitet werden sollte (gelb) und für welche Aufträge noch ausreichend Zeit vorhanden ist, um innerhalb der vereinbarten Frist abgearbeitet zu werden (grün).
Die Abb. 3 zeigt übersichtsartig an, wie die Auftragslage sich aktuell darstellt. Der im Screenshot gezeigte Überblick bezieht sich demnach auf die geschlossenen Aufträge und liefert hierbei einen Vergleich zu dem Vorquartal, dem Vormonat, der Vorwoche und dem Vortag zum dem jeweils aktuellen Vergleichszeitraum.
Eine andere Ansicht aus dem Bereich Monitoring in awino® zeigt Abb. 3. Hier wird dargestellt, welche Verteilung die offenen Aufträge aufweisen. Das Beispiel unterscheidet hierbei die für die Anforderungen der DSGF-spezifischen Einteilungen in offene Aufträge herkömmlicher Art und Aufträge mit sog. VIP SLA, d.h. Aufträge mit für den Mandanten als besonders wichtig gekennzeichneten Prozessen. Beide Auftragsarten werden zusätzlich untergliedert in verschiedene Fristen, die sowohl unterschiedlich farblich gekennzeichnet sind, als auch absolut und prozentmäßig ausgewiesen werden.
Abb. 3: Monitoring: Aktuelle Bearbeitungssituation in Frist/nach Frist in awino®
Entscheidungsprozess und Investitionsentscheidung
Das Ziel, den Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen schnell, marktfähig und kosteneffizient zu etablieren, konnte nach Meinung der Entscheider bei der DSGF nur durch Verwendung eines integrierten Auftragssteuerungs- und Monitoring-Software-Systems bewerkstelligt werden. Somit wurde das Projekt der Suche einer Software für o. g. Bereich ausgeschrieben. Es wurden mehrere Anbieter zu Präsentationen eingeladen.
Als besondere Ansprüche an die Software wurden insbesondere die Fähigkeit zur Interaktion mit den bestehenden Lösungen (OSPlus und FrontCollect® (siehe Abschnitt "Motive und Ziele")) definiert. Auch sollte die Software dazu beitragen, Entscheidungshilfen zur Optimierung bestehender Prozesse zu liefern und gleichzeitig die Transparenz der Prozessbearbeitung zu erhöhen.
Die DSGF verfügte durch ihren Partner GKS über das entsprechende Know-how, den neuen Geschäftsbereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen aufzubauen. Die GKS hatte zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung der DSGF bereits seit mehr als vier Jahren mit awino® ein Tool im Einsatz, das die speziellen Anforderungen des Geschäftsbereichs erfüllte.
Wegen der vorhandenen Erfahrungen der GKS mit den Leistungen der HUEBINET GmbH & Co. KG im Geschäftsprozessmanagement und aufgrund der Flexibilität der Lösung awino® sowie des hohen Abdeckungsgrades der Software mit dem Anforderungskataloges der DSGF, entschied sich die DSGF dafür, die Lösung von HUEBINET näher zu prüfen.
Die Evaluation wurde vom Leiter Marktfolge Passiv/Dienstleistungen der GKS im Auftrag der DSGF von Anfang an federführend begleitet. In die entsprechenden Entscheidungsprozesse waren neben dem Leiter Marktfolge Passiv/Dienstleistungen die Geschäftsführung der DSGF und die Leiter der Abteilungen IT und Geschäftsprozessmanagement eingebunden.
Vorstellung der Partner
Hersteller und Implementierungspartner der Software awino® ist die HUEBINET GmbH und Co. KG aus Koblenz. HUEBINET ist ein System- und Beratungshaus mit dem Schwerpunkt im Business Process Management. Insbesondere die fabrikartige Abarbeitung von Vorgängen mit hohen bis sehr hohen Stückzahlen und das Monitoring sowie das Controlling bis hin zu Business-Intelligence-Anwendungen und Auswertungen auf den über awino® erhobenen Massendaten, stellen die Kernkompetenz von HUEBINET dar.
4. Business Process Management Tool für Back-Office-Leistungen
Geschäftssicht und Ziele
In diesem Abschnitt werden die Marktpartner bei der Auslagerung von Backoffice-Leistungen einer Sparkasse an eine Banken-Dienstleistungsfabrik sowie deren Beziehungen untereinander vorgestellt. Zunächst ist hierbei der Endkunde sowie seine regionale Sparkasse zu nennen, des weiteren der in dieser Fallstudie vorzustellende Bankendienstleister, die DSGF als Full-Service-Dienstleister für Sparkassen. Die Sparkassen sind in der Prozessmanagementsoftware als Mandanten (Kunden) angelegt. Gewissermaßen als Bindeglied zwischen der Sparkasse als Kunden des Outsourcing-Dienstleisters DSGF fungiert der IT-Dienstleister der Sparkassenorganisation in Deutschland, die Finanz Informatik, die einerseits die Netzinfrastruktur zum Datenaustausch bereitstellt und andererseits mit dem Kernbankensystem OSPlus sowie dem zentralen Dokumentenarchiv (ZDA) die operativen Anwendungen zur eigentlichen Bearbeitung der bankfachlichen Vorgänge (wie z.B. Neuanlage eines Kontos) betreibt.
Grundlage der Auslagerung von Backoffice-Prozessen einer Sparkasse an die DSGF ist die Aushandlung von Service-Level-Agreements (SLAs) zwischen den beiden Marktpartnern. Der Begriff der SLA wird im Geschäftsumfeld der DSGF anders als herkömmlich, wie folgt verwendet: Im Gegensatz etwa zu dem Begriff der SLA in IT-Umgebungen besitzt der SLA-Begriff bei der DSGF eine umfassendere Bedeutung. Ein Service-Level-Agreement ist eine (Ziel-)Vereinbarung zwischen dem Dienstleister und seinen Kunden über Leistungseigenschaften bzw. Qualität (Reaktionszeit, Umfang und Fristen der Bearbeitung), Eingangs- und Ausgangsparameter sowie dem entsprechenden Preis. Damit entspricht eine SLA genau einem Geschäftsprozess.
Die SLAs im Sinne der DSGF umfassen neben den Einlieferungs- und Auslieferungskriterien eines jeden Vorgangs u.a. die Vereinbarung über die jeweils möglichen Eingangskanäle (z.B. papiergebunden, per Fax oder mittels Datenschnittstelle) sowie als zentrales Kriterium die Frist zur Bearbeitung des Vorgangs. Die DSGF verpflichtet sich mit dieser Vereinbarung dazu, den betroffenen Vorgang bei korrekter Einlieferung innerhalb der vereinbarten Frist in einer definierten Art und Weise abschließend zu bearbeiten.
Der prinzipielle Ablauf einer Vorgangsbearbeitung, wie in Abb. 4 dargestellt, lässt sich in groben Zügen wie folgt beschreiben: Der Sparkassen-Endkunde erteilt seinem Sparkassenberater einen Auftrag, z.B. zur Eröffnung eines neuen Kontos. Handelt es sich bei dieser Leistung um einen Geschäftsfall, der zum vereinbarten Leistungskatalog der Sparkasse mit der DSGF gehört, so gibt der Berater den Auftrag unter Berücksichtigung der vereinbarten Einlieferungskriterien (z.B. dem Vorliegen aller erforderlichen Unterschriften) an die DSGF weiter. Dort wird der Vorgang unter Verwendung des Auftragssteuerungssystems awino® im Kernbankensystem OSPlus der Finanz Informatik bearbeitet. Liegen alle Bedingungen für die Verarbeitung vor, kann der Auftrag abschließend bearbeitet werden, ansonsten wird ein sogenanntes Reject erstellt, d.h. der Auftrag wird mit einer entsprechenden Meldung an den Auftraggeber zurückgeschickt, der die fehlenden Daten nachliefert bzw. den Auftrag neu einreicht. Nun kann der Auftrag abgeschlossen werden. Der Endkunde hat außer der Beziehung zu seinem Sparkassen-Berater keinen Kontakt zu den übrigen Marktpartnern. In der Regel endet die Bearbeitung des Vorgangs mit der Archivierung der zugehörigen Dokumente durch die DSGF im zentralen Datenarchiv des Mandanten. Während und nach der Bearbeitung hat die Sparkasse die Möglichkeit zum umfassenden Monitoring der Leistungen der DSGF, angefangen beim Einzelvorgang, bis hin zum aktuellen Stand der Bearbeitung über sämtliche Vorgänge hinweg. Somit ist der Berater bei Bedarf jederzeit über den aktuellen Status der Bearbeitung seines Auftrags informiert. Abgerechnet werden die erbrachten Leistungen der DSGF im Rahmen einer monatlichen detaillierten (einzelpositionsbezogenen) Rechnungsstellung an die Sparkasse.
Abb. 4: Geschäftssicht DSGF: Outsourcing von Back-Office-Prozessen der Sparkassen
Prozesssicht
Der im vorangegangenen Abschnitt bereits angerissene Ablauf einer Auftragsbearbeitung von ausgelagerten Backoffice-Leistungen einer Sparkasse wird im Folgenden nun ausführlicher beschrieben. Um dem Leser eine grundlegende Vorstellung der Abläufe (Abb. 5) zu vermitteln, wird dennoch von manchen Details abstrahiert. In der Praxis ist die Abwicklung an vielen Stellen deutlich komplexer, dennoch werden in der folgenden Darstellung alle für den Grundablauf relevanten Punkte berücksichtigt. Ebenso wird von der Beschreibung des konkreten Prozesses einer Dienstleistung (z.B. einer Kontoneuanlage) abstrahiert und lediglich die allgemeine Bearbeitung von Vorgängen im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen vorgestellt.
Da die DSGF ein durchgängig prozessorientiert aufgestelltes Unternehmen ist, wird dort mit Prozessmodellen zu jedem einzelnen Prozesstyp gearbeitet, welche nicht selten mehrere hundert Einzelaktivitäten umfassen. Der hier beschriebene Prozess beginnt typischerweise mit der Übergabe eines Vorgangs vom Bankberater an die DSGF. Dies kann papiergebunden (z.B. durch die Hauspost) oder als gescanntes Image bzw. Fax erfolgen. Werden die Dokumente per Post versendet, so besteht der erste Schritt auf Seite der DSGF nach der Einlieferung im Scannen der Dokumente.
Die beiden von der DSGF eingesetzten Systeme FrontCollect® für die Organisation der Eingangskanäle bzw. Imagebearbeitung und Datenextraktion und awino® als Auftragsbearbeitungs- und Steuerungssystem arbeiten im Folgenden eng verzahnt zusammen.
Zunächst wird ein im FrontCollect®-System eingegangener Auftrag manuell vorverarbeitet, d.h. einer nichtfachlichen Sichtprüfung unterzogen, ob das Image korrekt erstellt wurde. Danach werden, wenn möglich, Feldinformationen automatisiert aus dem digitalisierten Image herausgelesen und der Vorgang an das Auftragssteuerungssystem awino® weitergereicht. Diese Schnittstelle sowie alle übrigen Schnittstellen zwischen den Systemen FrontCollect® und awino® sind als Webservice-Schnittstelle realisiert. Konnte die Information automatisiert ausgelesen werden, wird der Vorgang bereits mit einer Klassifikation (d.h. korrektem Prozesstyp, hier als SLA bezeichnet) versehen in awino® angelegt. Alternativ erfolgt die Anlage ohne Klassifikation; der Auftrag wird in diesem Fall an ein zentrales Team geleitet, das die manuelle Klassifikation übernimmt. Nach der Klassifikation bzw. Zuordnung zur SLA/zum Prozesstyp wird der Vorgang automatisch dem erstbearbeitenden Team zugesteuert.
Abb. 5: Auftragsbearbeitung mit awino®
In awino® erfolgt nun die Verteilung der Aufgaben an entsprechende Mitarbeiter und die Überwachung der Fristeinhaltung, die durch Eskalationsmechanismen (Ampelprinzip, E-Mail-Informationen etc.) unterstützt wird. Weiterhin werden in awino® im Rahmen der Auftragsbearbeitung an den zugehörigen Stellen Wiedervorlagen eingestellt und bearbeitet, Meilensteine dokumentiert, Aufträge manuell oder automatisiert an nachfolgende Bearbeiter weitergeleitet und über den Standardfall hinausgehende Leistungen erfasst. Die Bearbeitung des Auftrags selbst, z.B. die Anlage eines neuen Kontos, erfolgt dagegen im Kernbankensystem (OSPlus) der Finanz Informatik. Liegen zur Bearbeitung nicht alle erforderlichen Informationen zu einem Vorgang vor oder sind einige erkennbar unkorrekt, so können aus awino® heraus standardisierte Rejectschreiben an die einliefernde Sparkasse versendet werden. Diese führen entweder zur Nachlieferung der benötigten Information oder zum Neu-Einreichen des Gesamtvorgangs durch die einliefernde Sparkasse.Da die Prozesse im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen vielfach sehr kleinteilig sind, ist das Neu-Einreichen oftmals kosten- und aufwandsgünstiger als das Unterbrechen und Wiederöffnen eines Vorgangs. Neben den Reject-Schreiben wird awino® auch für die Erstellung jeder weiteren Art standardisierter Kurzmitteilungen an die einliefernde Sparkasse genutzt. Nach dem Abschluss der Bearbeitung eines Einzelvorgangs werden die zugehörigen Dokumente in der Regel im zentralen Datenarchiv (ZDA) der Finanz Informatik mandantenabhängig dauerhaft archiviert.
Anwendungssicht
Die folgenden Informationssysteme sind zentral am Prozess beteiligt (vgl. Abb. 6): Das Kernbankensystem OSPlus und das zentrale Datenarchiv (ZDA), beide betrieben von der Finanz Informatik; ferner die beiden von der DSGF selbst betriebenen Systeme FrontCollect® zum Management der Eingangskanäle und Weitergabe der Daten an das ZDA sowie das Auftragssteuerungssystem awino®. Die beiden letztgenannten Systeme wurden im Zuge des Aufbaus des neuen Geschäftsbereichs Marktfolge Passiv/Dienstleistungen in Bezug auf ihre Schnittstellen so angepasst, dass sie einerseits auf ein gemeinsames Image-Repository zugreifen und andererseits jeweils gegenseitig strukturierte Daten mittels Webservices-Schnittstellen übergeben können. FrontCollect® wird von der DSGF bereits seit einigen Jahren für die Belegverarbeitung eingesetzt und wurde für den Einsatz im Geschäftsbereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen angepasst. Das System awino® wurde komplett neu eingeführt. Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, wird awino® hierbei zur Verwaltung der Vorgänge auf Einzelvorgangsebene verwendet. Darüber hinaus steuert die DSGF mit awino® die gesamte Auftragsmenge des Bereichs Marktfolge Passiv/Dienstleistungen. Hierzu werden z.B. die Monitoring-Funktionen und die Möglichkeiten zur Planung von Mitarbeiterkapazitäten und deren Prognose in awino® genutzt. Die Monitoring-Komponenten sorgen dabei nicht nur für Transparenz auf Seiten der DSGF, sondern auch auf Seiten der angebundenen Sparkassen, denen ein Echtzeit-Monitoring bereitgestellt wird. So ist jede Sparkasse ständig über den aktuellen Bearbeitungsstand der von ihr an die DSGF übergebenen Aufträge informiert. Weiterhin wird bei der DSGF auf Basis der awino®-Daten die Rechnungsbasis für die Mandanten erstellt sowie eine Reihe von Auswertungen und Statistiken (z.B. bzgl. Teamauslastung und Umsatz) als Unterstützung des Managements genutzt.
Auf Ebene des Nutzerinterfaces erfolgt der FrontCollect®-Zugriff über proprietäre Clients, da diese Anwendung nur an Einzelplätzen für bestimmte Nutzer notwendig ist. Hierbei werden die Images der gescannten Dokumente z.B. auf Vollständigkeit und Lesbarkeit geprüft, es erfolgt aber keinerlei fachliche Bearbeitung. Der Zugriff auf awino® erfolgt über ein browserbasiertes Frontend (Applet) und steht allen beteiligten Mitarbeitern von allen Standorten aus zur Verfügung. Auch der Zugriff der Sparkassen auf die Monitoring-Funktionen ist Applet-basiert realisiert. Der gesamte Netzverkehr von Seiten der Sparkassen erfolgt dabei über das von der Finanz Informatik betriebene IT-Netz. Auf die beiden Anwendungen der Finanz Informatik wird seitens der DSGF und in der Regel auch der Sparkassen über eine eigene Terminalserver-Oberfläche zugegriffen, z.B. in Form von Published Applications innerhalb einer Citrix XenApp/Metaframe-Infrastruktur, welche sich wie lokal installierte Programme verhalten.
Abb. 6: Anwendungssicht der DSGF
Technische Sicht
Die beiden Anwendungen FrontCollect® und awino® werden von der DSGF zentral in Eigenregie betrieben. Zur Steigerung der Ausfallsicherheit werden hierzu sowohl für die Datenbankserver als auch die Anwendungs- und Fileserver jeweils Clustersysteme eingesetzt. Der Betrieb der Serverfarm erfolgt am Standort Köln. Alle weiteren Standorte (Dresden/Grafenau/München/Nürnberg) sind über das DSGF-Netz angebunden und greifen auf die zentralen Server zu (vgl. Abb. 7).
Abb. 7: Technische Sicht DSGF
Die Anbindung der Sparkassen erfolgt über eine Kopplung ans Netz der Finanz Informatik. Zum Erstellen von Images aus papiergebundenen Dokumenten werden sowohl von der DSGF selbst als auch von den Sparkassen Scanner betrieben, die direkt an das FrontCollect®-System der DSGF angebunden sind. Der Betrieb der Anwendungen auf Seite der Sparkassen erfolgt entweder über eigene Fat-Clients oder in der Regel über Terminalserverlösungen.
5. Einführungsprojekt und Betrieb
Während das vorangegangene Kapitel eine statische Sicht auf die beschriebene Lösung einnimmt, werden in diesem Kapitel die dynamischen Aspekte des Projektablaufs und das Change Management behandelt.
Konzeption, Entstehung und Roll-out der Lösung
Die Anforderungen an die einzuführende Lösung wurden mittels Use-Cases aufgenommen. Für die Anpassungen der Software an die individuellen Anforderungen wurden diese anschließend mit fachlichen Detailkonzepten unterbaut. Dies erfolgte in enger Abstimmung der beteiligten Unternehmen mit der DSGF. Anschließend wurden diese fachlichen Konzepte in technische Detailkonzepte überführt, die als Grundlage zur Umsetzungen bzw. Erweiterungen der Software dienten. Hiervon waren insbesondere die Schnittstellen zum Datenaustausch betroffen, die in enger Abstimmung der beiden beteiligten Software-Entwicklungshäuser erstellt wurden.
Die Wartbarkeit des Gesamtsystems spielte bei der Konzeption des Projekts eine wesentliche Rolle, um die Folgekosten durch etwaige Abweichungen vom Standard nicht ausufern zu lassen. Durch die intensive Interaktion aller am Projekt beteiligten Parteien und durch das Einfließen aller bisher vorliegenden Erfahrungen, konnte hier in wenigen konzeptionellen Terminen eine optimale Lösung gefunden werden.
Nach einigen Tests wurde die Gesamtanwendung problemlos in Produktion gesetzt. Das Gesamtsystem befindet sich nach der Anpassung noch immer so nah am Standard, dass zukünftige Probleme nicht zu befürchten sind.
Für Test und Abnahme der Software bis hin zur Produktivschaltung werden von der DSGF sowohl eine Abnahme- als auch eine Produktionsumgebung betrieben. Dabei sieht der Prozess zur Einführung neuer Funktionalität bzw. angepassten Software-Modulen vor, dass nach den technischen und fachlichen Tests des Software-Herstellers von der DSGF die gesamte Funktionalität auf der Abnahmeumgebung durch den Fachbereich getestet wird. Erst wenn die Abnahme erfolgreich absolviert wurde, darf eine Produktivschaltung erfolgen, die von den Abteilungen IT und Administration der DSGF in Eigenregie durchgeführt wird. Nachdem der Fachbereich seine Arbeit aufgenommen hatte, wurde awino® zunächst nur am Standort Köln eingesetzt, das Roll-out auf andere Standorte war allerdings unproblematisch, da die Anwendung im Browser läuft. Lediglich die Serverkapazitäten sind ggf. anzupassen. Das Roll-out wird von der DSGF selbst koordiniert und durchgeführt.
Projektmanagement und Change Management
Das Projekt wurde seitens der DSGF direkt von der Geschäftsführung bzw. der Bereichsleitung Marktfolge Passiv/Dienstleistungen initiiert, war also Top-Down aufgesetzt. Projektleiter war der zukünftige Leiter des aufzubauenden Bereichs Marktfolge Passiv/Dienstleistungen. Darüber hinaus waren die Bereiche Prozessmanagement, IT und Administration im Projekt vertreten.
Im Rahmen des Projektmanagements wurde zunächst eine Roadmap mit Meilensteinen bis zur Produktivschaltung erstellt, welche später bis zur Integration der beiden Systeme awino® und FrontCollect® erweitert wurde. Wie oben beschrieben, war der zentrale Meilenstein, die Produktivschaltung des Basissystems, zeitlich mit der Aufnahme der Arbeiten des Bereichs Marktfolge Passiv/Dienstleistungen verknüpft. Eine Terminverschiebung war hier nicht möglich. Die Phase von Beginn der Planung bis zur Produktivschaltung der Basisversion des awino®-Systems dauerte nur drei Monate. Im Anschluss daran wurden weitere Module und Funktionalitäten schrittweise zunächst auf der Abnahmeumgebung bereitgestellt und nach erfolgreicher Abnahme dann ins Produktivsystem integriert. Dabei war awino® gemäß den Anforderungen nach ca. vier Monaten voll einsatzfähig, bis zur Integration mit FrontCollect® (vgl. Prozessmodell) dauerte es ca. neun Monate.
Für die Nutzer verlief die Einführung unkompliziert, da die Key-User aus dem Partnerunternehmen kamen und mit den Prozessen im Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen und dem Auftragssteuerungssystem awino® bereits vertraut waren. Neue Mitarbeiter des Fachbereichs wurden von den Key-Usern angeleitet. Von HUEBINET wurden Mitarbeiter des Bereiches Administration geschult, die für die Verwaltung des Systems sowie für Releasewechsel zuständig sind, aber ins Tagesgeschäft nicht eingreifen. Mit Bereitstellung des Systems konnte die Abteilung Marktfolge Passiv/Dienstleistungen unmittelbar ihren Betrieb aufnehmen.
Laufender Betrieb und Weiterentwicklung
Um die kurzfriste Unterstützung bei Supportfällen zu gewährleisten und einen möglichst störungsfreien Produktivbetrieb sicherzustellen, wurde mit HUEBINET ein Wartungsvertrag geschlossen, der neben kurzen Reaktionszeiten die Möglichkeit des Fernzugriffs auf die Abnahmeumgebung der DSGF beinhaltet. In diesem sind auch die Modalitäten für zukünftige Entwicklungen geregelt. Dabei werden die Anforderungen von der Leitung der Fachabteilung eng mit den Beratern von HUEBINET abgestimmt, um zunächst die Rahmenparameter wie Machbarkeit, Aufwand und Realisierungszeitraum zu fixieren. Auf Basis der Bewertung des Kosten/Nutzenverhältnisses, der zeitlichen Realisierbarkeit sowie den Erwartungen der Mandanten, d.h. den angebundenen Sparkassen, wird eine Priorisierung vorgenommen. Im ersten Jahr des produktiven Einsatzes wurden neue Releases mit erweiterter Funktionalität bzw. zusätzlichen für die DSGF angepassten Software-Modulen etwa einmal im Quartal eingespielt. Zukünftig werden sich die zeitlichen Abstände vergrößern, zu denen neue Releases bereitgestellt werden; dringliche Anforderungen können aber weiterhin auch kurzfristig im Rahmen kleinerer Updates vorgenommen werden.
6. Erfahrungen (ex-post Sicht)
Nutzerakzeptanz und faktische Nutzung
Seit der erfolgreichen Produktivschaltung im Juli 2010 wird awino® bei der DSGF für alle Prozesse der Marktfolge Passiv/Dienstleistungen eingesetzt. Mit dem System werden alle Vorgänge des Geschäftsbereichs bearbeitet und gesteuert. Somit handelt es sich um eine zentrale und für den Bereich sogar kritische Anwendung. Berührungsängste bzw. Akzeptanzschwierigkeiten bei den Benutzern des Systems gab es keine und es waren auch keine zu erwarten. Dies liegt zum einen an der intuitiven Benutzerführung des Systems, zum anderen konnten die Benutzer bereits vor Projektstart der DSGF Erfahrungen mit dem System gewinnen. Aufgrund dessen entstanden keine benutzerspezifischen Anpassungen des Systems.
Zum heutigen Stand ist zu sagen, dass die DSGF mit awino® täglich ein Auftragsvolumen von ca. 1.000 Aufträgen durch die Organisation schleust und dies für derzeit zehn Mandanten. Dabei konnte ab der Produktivschaltung eine stetige Steigerung des Auftragsdurchsatzes erzielt werden. Die Mandanten hatten seit Beginn der Produktion eine hohe Transparenz durch die direkte Anbindung an das System sowie durch die detaillierte Rechnungsstellung.
Neben dem ursprünglichen Einsatz von awino® im Bereich der Marktfolge Passiv/Dienstleistungen wurden seitens der DSGF bereits weitere Einsatzszenarien selbstständig erschlossen. Dazu zählen eine Leistungserfassung in anderen Fachbereichen sowie die allgemeine Wissenssicherung der Unternehmung. Hierzu wurde ein weiteres awino®-Modul (awino®-Wissensbank) nachlizensiert.
Realisierter Nutzen und bewirkte Veränderungen
Das Projekt wurde mit dem Ziel initiiert, in möglichst kurzer Zeit den neuen Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen aufzubauen, der umgehend produktiv sein sollte, um schnell den Markt zu erschließen. Damit einhergehend bestand die Vorgabe, schneller, besser und kostengünstiger zu sein als Wettbewerber bzw. als Backoffice-Bereiche der potenziellen Kunden (Mandanten). Dies ist heutzutage ohne ein angemessenes, IT-unterstütztes Prozessmanagement nicht zu realisieren.
Ein initialer Nutzen der Einführung von awino® konnte bereits im Vorfeld identifiziert werden. Durch z.B. die Extraktion und Validierung von Daten können, wenn die Daten korrekt ausgelesen werden, automatisierte Übergaben einzelner Prozesse/Prozessschritte vorgenommen werden. Wird z.B. der Prozesstyp richtig erkannt, kann eine direkte, automatisierte Übergabe an das erstbearbeitende Team erfolgen. Dieser Schritt der Identifikation müsste sonst durch ein zentrales Team manuell durchgeführt werden (auslesen/validieren).
Mit der Prozessmanagementsoftware awino® erfolgt danach eine standardisierte und prozessuale Abarbeitung der Geschäftsfälle. Dazu zählen Prozesse, die sehr kleinteilig sind, wie z.B. die Bearbeitung eines Freistellungsauftrags oder eine Kontoneuanlage, aber auch Prozesse mit hoher Komplexität und langen Bearbeitungszeiträumen, wie z.B. ein Erbfall oder eine Pfändung.
Die Standardisierung in der Abarbeitung bewirkt eine schnellere Erbringung der Dienstleistungen, bei gleichzeitig messbarer, verbesserter Qualität. Hierzu werden zwei weitere awino®-Module genutzt: das Modul awino®-IAKS (Internes Auftragskontrollsystem) sowie das integrierte Beschwerdemanagement. Zur Überprüfung der Prozessmodelle sowie der in den Modellen verankerten Zeiten erfolgt in awino® eine Erhebung der Produktionszeiten in unterschiedlichsten Detailierungstiefen. Durch die Interaktion mit dem Produkt FrontCollect® der BancTec konnte eine automatische Bearbeitung des Posteingangs sowie der Übergabe von Dokumenten an das zentrale Datenarchiv (ZDA) in einem standardisierten Prozess erreicht werden.
Eine signifikante Verbesserung für den einzelnen Mitarbeiter besteht in dem vereinfachten bzw. direkten Zugriff auf Prozessmodelle, Dokumente und alle zur Abarbeitung erforderlichen Informationen während der Bearbeitung sowie in der Führung bei der Abarbeitung entlang der Prozesskette.
Durch die gewonnene und an die Mandanten weitergegebene Transparenz in der Abarbeitung der übertragenen Aufgaben, konnte eine stärkere Kundenbindung erzielt werden. So wurden seitens der bestehenden Mandanten immer mehr Dienstleistungen der DSGF in Anspruch genommen sowie weitere Mandanten für die DSGF gewonnen. Letztlich dient awino® heute auch als eine wesentliche Basis zur Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2008.
Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Eine Erhebung der Rentabilitätskennzahlen wurde von der DSGF nicht durchgeführt. Allerdings kann recht einfach festgestellt werden, dass der Umsatz des neu etablierten Geschäftsbereiches Marktfolge Passiv/Dienstleistungen maßgeblich mit der schnellen und fehlerfreien Einführung aller für das Projekt notwendigen Werkzeuge zusammenhängt. Investitionskosten (Kosten für die Software, zusätzliche Hardware und Dienstleistungen) für das Gesamtprojekt konnten für die Fallstudie nicht erhoben werden. In den Softwarekosten sind Lizenzkosten, Wartungskosten und die Kosten für ergänzende Software enthalten. Genutzt wird das System von momentan 150 Anwendern. Aufgrund der sehr kurzen Einführungszeit und durch die bereits nach Einführung der Software getätigten Umsätze kann von einem sehr schnellen ROI ausgegangen werden. Eine dezidierte ROI-Berechnung wurde nicht durchgeführt. Die Rentabilität des Projekts ist laut Angabe der Ansprechpartner bei der DSGF auch durch die stetig steigende Anzahl an Mandanten der DSGF bereits jetzt gewährleistet.
Die fabrikartige Bearbeitung von Vorgängen in großen Stückzahlen im Outsourcing bedarf einer konsequenten Prozessausrichtung des Outsourcing-Unternehmens. Da der Industriepartner den oder die für das Outsourcing vorgesehenen Prozesse ja bereits selbst betreibt, kennt er im Idealfall die hiermit verbundenen Kosten. Das Outsourcing-Unternehmen muss die zur Diskussion stehenden Prozesse nun deutlich günstiger anbieten als der Industriepartner sie selbst erstellen könnte. Die Betonung „deutlich günstiger“ ist insofern relevant, weil bei Outsourcing-Entscheidungen nicht nur der reine Preisunterschied berücksichtigt werden darf, sondern auch (zumindest zu Anfang der Geschäftsbeziehung) Transaktions-, Kontroll- und Overheadkosten durch die Interaktion mit dem Outsourcing-Unternehmen einkalkuliert werden müssen. Diese Kosten können im Verlaufe der Geschäftsbeziehung zunehmend weniger Berücksichtigung finden, sind aber am Anfang noch relevant, da sich die Interaktion erst einspielen muss.
Die Rationalisierung, die in diesen „Back-Office-Fabriken“ stattfindet, ist insofern bemerkenswert, als dass durch konsequente Prozessausrichtung des Unternehmens mit relativ geringem Einsatz „Massenprozesse“ in hoher Stückzahl und langfristig gleichbleibend hoher Qualität wesentlich kostengünstiger abgearbeitet werden können als in Unternehmen mit herkömmlicher Prozessorganisation. Insofern stellt die Organisation von Massenprozessen eine Weiterentwicklung der Prozessorganisation dar.
Eine der wesentlichen Voraussetzungen für das effektive und effiziente Management von Massenprozessen sowohl auf der Auftraggeber- als auch auf der Auftragnehmerseite ist die Einführung eines Auftragssteuerungssystems (z.B. awino®), das alle relevanten Massendaten erfasst und diese entsprechend der unternehmensinternen und unternehmensexterne Relevanz für die jeweilige Zielgruppe (automatisiert und analysiert) zur Verfügung stellt.
Spezialitäten der Lösung
Typischerweise werden auf Basis der im Unternehmen vorliegenden Prozesse eine Reihe von Auswertungen und Analysen durchgeführt sowie aufbauend darauf Vorhersagen und Planungen erstellt. Im Dienstleistungsbereich beruhen diese in der Regel auf Eintrittswahrscheinlichkeiten von Entscheidungen und Annahmen von Vorgangsanzahlen. Durch den Einsatz von awino® ist es nun möglich, als Grundlage dieser Auswertungen valide Zahlen zu verwenden, etwa die im Rahmen der Prozessbearbeitung erfassten Mengen und Bearbeitungszeiten.
Abb. 8: Spinnennetzdiagramm für Gegenüberstellung von Soll-Zeitkapazität
So kann beispielsweise mit dem unten dargestellten Spinnennetzdiagramm (vgl. Abb. 8) eine Gegenüberstellung von Soll-Zeitkapazität (Anzahl x Nettobearbeitungszeit) und der tatsächlich benötigten Zeit erfolgen, dargestellt pro Team über einen beliebigen Zeitraum. Die im Diagramm visualisierten Abweichungen von der Sollkapazität dienen als Ausgangspunkt, um bei ungewöhnlich großen Abweichungen mit den folgenden Fragen tiefer in die Analyse einsteigen zu können: warum weichen die Ist-Werte in bestimmten Teams bzw. für bestimmte Prozesse stark vom Soll ab? Welche Maßnahmen sind zu treffen, um zukünftig eine bessere Einhaltung zu erreichen? Die Antworten auf diese Fragen dienen der Zeitbudget- und Personaleinsatzplanung für die kommenden Planungsperioden. Um diese Planungen möglichst exakt zu taxieren, ist neben den validen Bearbeitungszeiten ein möglichst genaues Wissen um die zukünftigen Mengen erforderlich. Diese Mengen können in awino® auf Basis der Vergangenheitsmengen prognostiziert werden. Auf Basis der validen Bearbeitungszeiten sowie der prognostizierten Mengen wird somit eine deutlich detailliertere Personalplanung möglich als mit den typischen, heute im Dienstleitungsbereich eingesetzten Planungsinstrumenten.
Reflexion der Barrieren und Erfolgsfaktoren
Die DSGF ist mit einer großen Erwartungshaltung in das Projekt eingestiegen, im Besonderen durch die positiven Erfahrungen anderer Unternehmen der Finanzbranche mit dem System awino®.
Der frühzeitigen Interaktion mit dem Betriebsrat kam eine sehr hohe Bedeutung zu. Befürchtungen, dass der einzelne Mitarbeiter „gläsern“ wird, das also seine individuelle Leistung zunehmend zum Gegenstand von Steuerungsmaßnahmen wird, sind ernst zu nehmen. Die Projektleitung und die Geschäftsführung der DSGF haben bereits vor der eigentlichen Initiierung des Projekts den Kontakt zum Betriebsrat gesucht und evtl. bestehende Fragen und Befürchtungen thematisiert. Durch die frühzeitige Berücksichtigung von möglichen Einwänden seitens der Arbeitnehmervertreter konnte das Projekt nach entsprechenden Vereinbarungen mit dem Betriebsrat zum angestrebten Zeitpunkt umgesetzt werden.
Da die DSGF sehr schnell erste Mandanten für den neuen Bereich Marktfolge Passiv/Dienstleistungen gewinnen konnte und somit die Lösung awino® nach Projektstart binnen vier Monaten produktiv bereitgestellt sein musste, lastete ein sehr hoher Druck auf dem Dienstleister HUEBINET. Eine Verzögerung des Projekts war nicht eingeplant. Unvorhergesehene Ereignisse auf Seiten des Dienstleisters hätten das Projekt verzögern können, was mit den bereits akquirierten Kunden der DSGF für Spannungen gesorgt hätte.
Auch die räumliche Nähe zu HUEBINET wurde als Vorteil gesehen, da kurzfristig anzuberaumende Meetings ggf. sogar noch am gleichen Tag stattfinden konnten.
Ein großer Erfolgsfaktor für das Projekt war das identische Einsatzszenario beim Partner GKS. Die für das Projekt wichtigen Personen waren bekannt, eine gute Kommunikation bereits etabliert.
Lessons Learned
Die weitsichtige Koordination der Interaktion der verschiedenen für das Projekt notwendigen Gruppen durch die Geschäftsführung der DSGF und den Leiter Marktfolge Passiv/Dienstleistungen im Vorfeld des Projekts und während des Projekts führte dazu, dass das Projekt in sehr kurzer Zeit und reibungslos durchgeführt werden konnte. Insbesondere die Kommunikation mit dem Softwarelieferanten und dessen Aktionszeiten wurden als vorbildlich bezeichnet, was Vertreter der DSGF auch auf die überschaubare Größe des Anbieters, die mit einer hohen Flexibilität einhergeht, zurückführen.
Die entschlossene Übertragung der bereits in anderen Abteilungen der DSGF gemachten positiven Erfahrungen in Bezug auf die konsequente Prozessausrichtung hat auch in dem neuen Geschäftsbereich für eine schnelle positive Entwicklung geführt. Aufgrund der guten Erfahrungen wurde der Einsatz von awino® bereits auf andere Geschäftsbereiche ausgerollt, der Bereich Kreditbearbeitung befindet sich derzeit in der Konzeptionsphase.
Die entschlossene Umsetzung der bereits in anderen Bereichen und von Partnern gemachten Erfahrungen mit Massenprozessmanagement führte bei der DSGF zu einer sehr kurzen und reibungslos verlaufenden Projektdauer.
Ausblick
Da die in dieser Fallstudie vorgestellten Vorgehensweisen nach Meinung des Autors mit Adaptionen auch auf andere Branchen und Unternehmen übertragbar sind, sollte auf breiter Front in Wissenschaft und Praxis darüber nachgedacht werden, ob die Effizienzsteigerung „im Büro“ nicht vor einer Art industriellen Revolution steht. In der Dienstleistungsgesellschaft Deutschland kann die Prozessoptimierung in der traditionellen (Industrie-) Produktion als weitgehend optimiert angesehen werden, da Optimierungsbestrebungen hier bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Gange sind. Aufgrund des andauernd zunehmenden Anteils des Kostenfaktors Dienstleistung in Produkten jeglicher Art ist dessen Optimierung für die Zukunft genau der Faktor, der entscheidend dazu beitragen kann, die Unternehmens-/Produktionskosten deutlich zu senken.