Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Der Vorläufer zur heutigen Finzelberg GmbH & Co. KG wurde von dem Apotheker Hermann Finzelberg um 1870 in Andernach gegründet. Bereits seit der Gründung befasst sich das Unternehmen mit der Herstellung von Arzneimitteln aus Pflanzen im industriellen Massstab. Im Laufe der Zeit wandelte sich Finzelberg vom kleinen Betrieb zu einem der weltweit führenden Unternehmen zur Herstellung von Pflanzenextrakten für die pharmazeutische Industrie.
Für die Einhaltung einer gleichbleibend hohen Produktqualität ist Finzelberg entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowohl planerisch als auch beratend tätig. Von der Züchtung und Auswahl hochwertigen Saatgutes über die Prüfung der Anbaubedingungen bis zur Kontrolle der vereinbarten Ernte- und Trocknungsverfahren im Rahmen spezifizierter Qualitätsprüfungs-Prozeduren sind Finzelberg Mitarbeitende auch beim Produzenten vor Ort und stellen die Einhaltung vereinbarter Parameter sicher. Auch die Bevorratung der hochwertigen Rohstoffe während des ganzen Jahres ist eine wichtige Voraussetzung für eine gleichmässige Versorgung der anspruchsvollen Klientel. Finzelberg kauft international ein, z.B. in West-, Süd- und Osteuropa, ebenso in Nord- und Südamerika, Indien, Afrika und China.
Eine zusätzliche Dimension erhalten die vorgenannten Parameter durch die Berücksichtigung der strengen Auflagen des Arzneimittelgesetzes, von Qualitätssicherungssystemen wie Good Manufacturing Practice (GMP) oder Good Laboratory Practice (GLP), von Umwelt- und Transportvorschriften, aus diversen EU-Verordnungen etc. Diese müssen häufig bereits ab dem Zeitpunkt der Erzeugung der Rohstoffe im Ursprungsland sichergestellt werden.
Zur Verarbeitung setzt Finzelberg digital gesteuerte Anlagen ein, die alle Auflagen einer modernen GMP-zertifizierten Produktion gewährleisten. Das Unternehmen war mit dem Ansatz, Pflanzenextrakte unter GMP-Bedingungen herzustellen, der Pionier in Europa.
Bei der Produktion stehen schonende Verarbeitungsprozesse, die dennoch alle gesetzlichen und die noch strengeren internen Hygieneauflagen erfüllen, im Vordergrund. So bilden diverse Schneide- und Mahlprozesse, Verfahren, wie die statische oder dynamische Extraktion oder innovative Trocknungsverfahren Kernprozesse im Rahmen der Herstellung. Die Fertigung läuft zur Einhaltung der anspruchsvollen Rahmenbedingungen in modernen Edelstahlanlagen, die durch das zertifizierte, interne Qualitätsmanagementsystem engmaschig kontrolliert werden. Besonders herausfordernd für die Analytik und Qualitätskontrolle sind die bei Naturstoffen üblichen Schwankungen der Inhaltsstoffe in der Rohware. Insofern wird von der Auswahl des Saatguts über die Ernte und den Transport stets Wert auf eine gleichbleibende Qualität gelegt. Für die Prüfung aller vorgenannten Parameter legt Finzelberg hausinterne Normen zugrunde, welche die gesetzlichen Bestimmungen zum Teil deutlich übersteigen. Die anspruchsvolle und vor allem validierte Vorgehensweise stellt hohe Ansprüche an Prozesse und Computersysteme.
Das Unternehmen bietet seinen Kunden aus der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie über 800 Produkte an, die standardisiert oder nach individuellen Kundenvorgaben produziert werden. Auf Grund der verschiedenen Anforderungen und Indikationen hält Finzelberg diverse Darreichungsformen vor, z.B. Trockenextrakte, Kompaktgranulate zur Direkttablettierung oder als Kapselfüllgut und Instanttees sowie flüssige, ölige und pastöse Zubereitungen.
Im Bereich Forschung und Entwicklung arbeitet Finzelberg weltweit vernetzt mit Wissenschaftlern und Verfahrenstechnikern an innovativen Produkten, wobei der Kundenwunsch stets im Mittelpunkt des Wirkens steht.
Seit 1989 gehört Finzelberg zur Martin Bauer Gruppe, die sich im Jahr 2002 unter dem Namen „the nature network®“ neu positionierte. Seitdem sind unter „the nature network®“ 20 Firmen und 40 Vertretungen zusammengeschlossen, die im Jahr 2002 mit 2'200 Mitarbeitenden einen Umsatz von 350 Mio. EUR erwirtschafteten.
Unternehmensvision
Finzelberg produziert hochwertige Qualitätsnaturextrakte und setzt hierbei auf moderne Technik und transparente Herstellungs- und Dokumentationsverfahren. Dabei kommt der Aufrechterhaltung einer gleichbleibend hohen Qualität eine strategische Rolle zu, die ganz wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beiträgt. Das Unternehmen bedient sich deshalb der modernen Informationsverarbeitung, um den Spitzenplatz als Ansprechpartner rund um die Herstellung und Vermarktung von Arzneimitteln und Nahrungeergänzungsmitteln auf Pflanzenbasis auszubauen.
Stellenwert von Informatik und E-Business
Vor dem Hintergrund der oben genannten, schwierig zu erfüllenden Anforderungen wird deutlich, dass gerade die Informatik einen hohen Stellenwert in einem Hightech-Unternehmen geniesst. Für die Anwendung im Menschen sind höchste Ansprüche einzuhalten. Deshalb sichert Finzelberg die gesetzlichen und die teilweise noch höheren internen Vorgaben über eine leistungsfähige IT-Landschaft ab, zu der auch eine flexible ERP-Lösung gehört.
Eine der wesentlichen Prämissen bei der Einführung der neuen ERP-Anwendung war die Abbildung der Unternehmensprozesse in einem Standard ERP-Komplettsystem. Auch der anwendungsintegrierte Workflow und die Vereinfachung der Kooperation mit weiteren Standorten standen auf der Agenda. Gefordert wurden Bausteine, die vom Einkauf über Materialwirtschaft bis zu Produktion und Verkauf reichen, ausserdem die Bereiche Planung und Forecast, Product-Lifecycle-Management sowie Qualitätskontrolle im Labor (LIMS). Alle Anforderungen an ein GMP-zertifiziertes Unternehmen sollten auf einer modernen Plattform abgebildet werden, die eigene Eingriffe bei geringem Aufwand ermöglicht.
2. Der Auslöser des Projekts
Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Das frühere System Charisma der GUS GmbH war veraltet und im Laufe der Jahre durch eigene Anpassungen sehr weit vom ehemaligen Standard entfernt. Notwendige Anpassungen auf Grund von Gesetzesänderungen und internen Anforderungen (z.B. GMP, Dokumentation, Product Quality Review, Archiv) wären kaum noch umsetzbar gewesen. Auch die anstehende Validierung des alten ERP-Systems hätte einen sehr hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeutet. Die prospektive Validierung für eine neu einzuführende Standardsoftware erschien wesentlich einfacher, schneller und kostengünstiger. Updates im Rahmen von Releasewechseln für die alte Software waren wegen der Änderungen im Laufe der Jahre kaum noch durchführbar bzw. sehr langwierig und teuer. Die Interaktion mit den Altsystemen, wie z.B. Finanzbuchhaltung oder Archiv war nicht mehr praktikabel. Auch die Integration einer im Jahre 2006 akquirierten, polnischen Tochterfirma, wäre mit dem Altsystem nur unter hohen Aufwendungen möglich gewesen. Manuelle Arbeiten, wie z.B. die papiergebundene Rechnungsfreigabe von Eingangsrechnungen, sollten elektronisch abgebildet werden.
Vorstellung der Geschäftspartner
Anbieter von Business Software, Implementierungspartner
Implementierungspartner und Anbieter der nachfolgend beschriebenen Lösung ist die GUS Deutschland GmbH, eine Gesellschaft der GUS Group AG & Co. KG. Das Unternehmen bietet eine modular aufgebaute Softwarepalette für die Prozessindustrie an und führt diese im Rahmen von Implementierungsprojekten beim Kunden ein. Betreut wurde Finzelberg während der Softwareeinführung von der Niederlassung Köln.
3. Vetrieb hochwertiger Pflanzenextrakte
Geschäftssicht und Ziele
In der in Abb. 1 dargestellten Geschäftssicht wird der prinzipielle Ablauf des Vertriebs von Qualitätsnaturextrakten bei Finzelberg dargestellt. Die Kunden des Unternehmens können auf eine fundierte Beratung rund um die Produkte von Finzelberg zurückgreifen. Das Unternehmen bietet Dienstleistungen von der individuellen Produktentwicklung nach Vorgaben des Kunden bis zur Zulassung an.
Abb. 1 fokussiert auf den Vertriebsprozess von Finzelberg. Mit seinen Kunden plant das Unternehmen in der Regel mittels langfristiger Forecasts, da verschiedene Grundstoffe langfristigen Beschaffungszyklen unterliegen. Kurzfristige Bestellungen sind trotz der Bemühungen um längerfristige Planung ebenfalls zu berücksichtigen.
Die Kundenanfrage kommt im Vertrieb bei Finzelberg an, wo zur Klärung von spezifischen Fragen bei Bedarf die Abteilungen Scientific and Regulatory Affairs, die Entwicklung oder das Labor hinzugezogen werden.
Nach der Beratung des Kunden wird von diesem der Auftrag erteilt. Der Vertrieb gibt den Kundenauftrag dann an das Customer Service Center weiter. Hier wird der Kundenauftrag weiter abgewickelt. Die Beschaffung sowie die Produktionsplanung sind unter anderem in dieser Abteilung integriert. Falls die Ware erst produziert werden muss, werden hier die Termine koordiniert, der Produktionsauftrag geplant und automatisch an die Produktion weitergeleitet. Am Ende des Produktionsprozesses wird die Fertigware eingelagert und zum Versandzeitpunkt der Spedition avisiert, die dann die Transportausführung ins Lager des Kunden übernimmt.
Abb. 1: Geschäftssicht Finzelberg
Prozesssicht des Produktions- und Freigabeprozess
Im alten System konnten zu den jeweiligen Prozessschritten die dazugehörigen Dokumente nicht direkt, sondern nur über Umwege eingesehen werden. Dies bedeutete in der Praxis einen erheblichen Recherche- und Zeitaufwand, was durch die Integration der Dokumente am jeweiligen Arbeitsschritt heute deutlich vereinfacht ist. Neu liegen alle notwendigen Dokumente in der Anwendung vor.
Abb. 2 verdeutlicht den verbesserten Produktions- und Freigabeprozess. Für den Fall, dass Ware nicht auf Lager ist, wird nach Anlage des Produktionsauftrages die Verfügbarkeit aller notwendigen Einzelkomponenten geprüft. Sollten Bestandteile fehlen, werden diese produziert oder beschafft. Entspricht das fertige Produkt nach der Prüfung in irgendeiner Art nicht der Spezifikation, wird entweder nachgearbeitet und dann ausgeliefert oder, falls nicht mehr nachgearbeitet werden kann, entsorgt.
Abb. 2: Prozesssicht des Produktions- und Freigabeprozesses bei Finzelberg
Anwendungssicht
Die Integration der Niederlassung in Sinzig und der polnischen Tochter stellte Finzelberg vor die Herausforderung, den Datenabgleich mit dem ERP-System zuverlässig und valide abzubilden. Der Standort Sinzig greift hierzu per Browser und Standleitung direkt auf die GUS-OS ERP-Anwendung zu. Mit dem Standort in Polen werden nachts Analysedaten auf Datenbankebene ausgetauscht.
Abb. 3: Anwendungssicht Finzelberg
Wie Abb. 3 zeigt, wird das GUS-OS ERP-System mit einem PDF-Archiv ausgeliefert. Die hier abgelegten Dokumente spielen eine wesentliche Rolle bei der Dokumentation und den im System hinterlegten Workflows. Durch die direkte Verknüpfung ist es möglich, zu jedem Schritt eines Workflows das zugehörige Dokument zu hinterlegen. Dies ist eine wesentliche Neuerung und Verbesserung gegenüber der früheren Arbeit. Während Dokumentenverknüpfungen mit den zugehörigen Arbeitsschritten im alten System nicht vorgenommen wurden, da dies mit einem hohen Aufwand verbunden gewesen wäre, stellt dies in der neuen Lösung kein Hindernis mehr dar. Die Dokumentation kann von der Fachabteilung vorgenommen werden, während früher stets die interne IT-Abteilung hinzugezogen werden musste.
Technische Sicht
Die Datenbanksysteme und Applikationen werden alle von Finzelberg selbst zentral in Andernach betrieben. Die IT-Landschaft wurde vom IT-Leiter bewusst übersichtlich geplant und logisch gruppiert. Eine übersichtliche, visuelle Darstellung, genauso wie die Umsetzung in der physikalischen Anordnung im Finzelberg Rechenzentrum, stellt eine der Grundüberlegungen für das IT-Konzept dar.
Abb. 4: Technische Sicht Finzelberg
Für den Betrieb des gesamten ERP-Systems werden acht separate Server eingesetzt. Ein Server dient für OLAP-Auswertungen, ein weiterer steht als Anwendungsserver zur Verfügung. Ein separater Print Client und ein Etikettendruck-Server stehen für Druckaufträge zur Verfügung. Abb. 4 zeigt, dass Finzelberg neben dem Produktivsystem zwei Testsysteme, eines unter Windows Vista und eines unter Windows 2000, unterhält. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass neue Ideen vor deren Umsetzung ins Produktivsystem in den entsprechenden Umgebungen erst ausgiebig getestet werden können, womit eine Störung des Betriebsablaufs im Fehlerfalle vermieden wird.
Die Anbindung des Standortes Sinzig geschieht über einen 10MBit Lichtwellenleiter. Die seit einiger Zeit etablierte Voice-over-IP-Telefonie funktioniert nach Auskunft des IT-Leiters gut.
4. Projektablauf und Betrieb
Investitionsentscheidung
Eine vor die eigentliche Investition gestellte Kosten-Nutzen-Analyse kam zu dem Ergebnis, dass GUS-OS ERP preislich günstiger ist als die evaluierten Wettbewerber. Die über 20 Jahre andauernde vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Softwarepartner beim Vorgängerprodukt war ein weiterer wesentlicher Punkt, GUS den Zuschlag zu erteilen. Durch eine Rolle als Pilotkunde konnten zahlreiche individuell programmierte Funktionen der Vorgängerlösung in den jetzigen Standard übernommen werden, was für Finzelberg im Falle von künftigen Releasewechseln deutlich niedrigere Kosten, einen Zeitvorteil und weniger Umsetzungsprobleme versprach.
Auch die sich stetig ändernden gesetzlichen Vorschriften, z.B. im Bereich Chargenrückverfolgung, Dokumentation, Analytik, Herstellungs- und Qualitätskontrolle, stellten die alte Software vor zunehmende Schwierigkeiten. Die neue Lösung auf Basis von Java zeigte einfache Lösungswege und flexiblere Anpassungsmöglichkeiten auf. Die hohen internen Anforderungen an die Flexibilität von Prozessen und an den Umfang der Dokumentation konnten mit der alten Lösung ebenfalls nur noch mit hohem Aufwand abgebildet werden.
Projekt- und Change Management
Im Vorfeld zum Projekt wurde eine Vorstudie in Bezug auf die bestehenden Prozesse und deren Funktionen an die GUS in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Vorstudie sollten durch GUS als Prozesse im neuen System abgebildet werden. Dieses Vorgehen gab Finzelberg in vielerlei Hinsicht Sicherheit, z.B.:
- Rechtssicherheit bzgl. der Anforderungen an das neue System durch die Aufnahme der Prozesse und die Umsetzung ins neue System durch den gleichen Dienstleister. Die Erstellung eines herkömmlichen Pflichten- und Lastenhefts konnte somit entfallen.
- Budgetsicherheit für beide Seiten, da dem Dienstleister die Prämissen durch die eigene Prozessaufnahme komplett transparent waren und er somit ein valides Angebot abgeben konnte.
Im Projektteam befanden sich aus der IT-Abteilung die Personen, die zuvor auch bereits das Vorgängersystem betreut hatten. Frühzeitig wurden durch den Leiter IT in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Abteilungsleitern Key User identifiziert, die ihre Abteilungen in Bezug auf die Umsetzung der Anforderungen im neuen System vertraten und die Implementierung dieser Anforderungen durch intensive Tests evaluierten. Es stellte sich heraus, dass die geplante Projektdauer von ca. drei Monaten für den ERP-Bereich von Finzelberg viel zu optimistisch eingeschätzt wurde. Die Gesamtdauer belief sich letztlich auf 12 Monate.
Change Management wurde dadurch betrieben, dass alle von der Umstellung betroffenen Personen in allen Unternehmensbereichen sich im Rahmen von zahlreichen Tests mit dem neuen System beschäftigten mussten. Überall dort, wo sich Diskussionsbedarf ergab, wurden die Vorteile des Systems dargestellt. Dies erwies sich insofern als einfach, da die neue Software von einem Teil der Belegschaft als durchaus selbsterklärend empfunden wurde. Die Chance, bestehende Prozesse durch die Einführung kritisch zu hinterfragen und ggf. zu verändern, wurde während des Projektes mehrfach genutzt. Teilweise kamen hierzu Anregungen vom Implementierungspartner, teilweise von Projektmitarbeitenden.
Evaluation, Entstehung und Roll-out der Lösung
Zusätzliche Aufwendungen ergaben sich durch den nicht geplanten Wechsel der kompletten Hardware-Infrastruktur, was auf fehlerhafte Angaben des Hardware-Herstellers zurückzuführen war. Durch den IT-Leiter wurde eine Risikoanalyse erstellt, die die wesentlichen Programmbestanteile betrachtete, um die Produktionsbereitschaft von Finzelberg sicherzustellen.
Der Roll-out der Lösung wurde im Wesentlichen während der regulären Arbeitszeit vorgenommen. Die Umstellung geschah im Rahmen eines Big Bang an einem Wochenende, so dass die Mitarbeitenden am Montag eine neue Arbeitsumgebung vorfanden. Das Wochenende vor der Umstellung war für Tests und Datenübernahmen durch die IT-Abteilung genutzt worden.
Laufender Unterhalt
Das System läuft auf der Infrastruktur von Finzelberg lokal in Andernach. Die interne IT-Abteilung wird bei Updates, Releasewechseln und der Einführung von neuen Modulen sowie bei der Umsetzung von Eigenentwicklungen von GUS unterstützt. Für spezifizierte Anforderungen wurden vom IT-Leiter mit dem Dienstleister Service Level Agreements abgeschlossen, die den laufenden Betrieb unter spezifizierten Rahmenparametern absichern sollen.
1.5.1 Nutzerakzeptanz
Selbst User, die sich zu Beginn des Projektes mehr als zurückhaltend gezeigt hatten, sind mittlerweile von der Leistungsfähigkeit des Systems überzeugt. Die grafische Benutzeroberfläche wird auch für neue Mitarbeitende als leicht bedienbar und übersichtlich bezeichnet.
Projektnutzen
Die Anforderungen an die neue Software wurden seitens Finzelberg über eine mit GUS durchgeführte Vorstudie pauschal formuliert: die vorgefundenen Prozesse sollten genau so wie bisher oder mit geringen Modifikationen im neuen System abgebildet werden. Diese pauschale Formulierung konnte GUS im Wesentlichen einhalten. Einige für Finzelberg spezifische Lösungen wurden vom Unternehmen selbst umgesetzt. Hierfür war Know-how-Aufbau notwendig, da die neue Software auf einer anderen Programmierumgebung (Java) aufsetzt. Der Know-how-Aufbau gestaltete sich durch den notwendigen Wechsel der gesamten Hardware zusätzlich schwierig.
Die Abbildung über Workflows stellte sich als leistungsfähiger und flexibler heraus als zuvor gedacht. Diese Form der Arbeit war im alten System kaum vorhanden und brachte somit neue Möglichkeiten in der Arbeit hervor. Auch wurden Möglichkeiten zur Elektronifizierung von manuellen Prozessabläufen genutzt. So können im neuen System ausgewählte Dokumente wie beispielsweise Analysezertifikate, Spezifikationen oder Ausgangsrechnungen automatisch archiviert werden.
Veränderungen
Effizienzsteigerungen wurden in verschiedenen Bereichen erreicht. Durch die abteilungsübergreifenden Workflows konnten Prozesszeiten wesentlich verkürzt werden. Auch wurde die Zusammenarbeit beträchtlich erleichtert, da heute die verschiedenen Prozessstatus von jeder Person mit der entsprechenden Berechtigung eingesehen werden können. Kollegen müssen nur noch im Sonderfall direkt angesprochen werden, viele Funktionen werden jetzt automatisch über das System gesteuert. Beispielhaft aufgeführt werden kann in diesem Zusammenhang der elektronische Rechnungsworkflow von Eingangsrechnungen. Die Eingangsrechnungen werden zentral eingescannt und der verantwortlichen Stelle zugestellt. Die Rechnung wird in der ToDo-Liste der verantwortlichen Rolle aufgeführt. Der frühere manuelle Postweg entfällt somit. Dadurch hat die Finanzbuchhaltung jetzt einen direkten Überblick über den Status aller Eingangsrechnungen.
Für viele Mitarbeitende wird die Möglichkeit, eigene Verarbeitungen in Excel jetzt ohne Zuhilfenahme der IT-Abteilung vornehmen zu können, als grosser Gewinn dargestellt. Durch die neue Software fühlt sich Finzelberg jetzt in der Lage, Gesetzesänderungen zeitnah und mit geringeren Gesamtaufwendungen nachzukommen.
Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Zurzeit arbeiten über 100 Nutzer täglich mit dem System. Das Verhältnis von Eigenentwicklung zu Standardfunktionen wurde vom Leiter IT in der alten Lösung in einem Verhältnis von ca. 60 % zu 40 % angegeben. Updates wurden als teilweise schwierig angegeben, da sich die alte Lösung stark vom Standard entfernt hatte. Die Kosten eines notwendigen Updates können somit als hoch eingeschätzt werden. Mit der heutigen Lösung befindet sich Finzelberg nahe am Standard, mit nur geringen Modifikationen. Momentan wird geschätzt, dass man sich zu über 90 % im Standard befindet, was zu einer wesentlichen Kosten- und Zeitersparnis bei Releasewechseln führte. Erhebungen zur Zeit- und Kostenersparnis wurden nicht vorgenommen, Kennzahlen zur Rentabilität nicht ermittelt.
Jahrelange, intensive Erfahrungen der internen IT-Abteilung mit den eigenen Prozessen halfen, den Anwendern aufwändige Testarbeit im neuen System zu ersparen. Die Interaktion des Lösungslieferanten fand im Wesentlichen mit der IT-Abteilung statt. Dies hatte für Finzelberg den wesentlichen Vorteil, dass die gesamte Kommunikation mit nur wenigen Personen konzentriert geführt werden konnte. Für Fragen an die Fachabteilungen konnten die Antwortzeiten durch die Kenntnis der internen Vorgänge durch die IT-Abteilung von Finzelberg wesentlich reduziert werden. Die Festlegung von Meilensteinen im Rahmen der Projektplanung im Vorfeld trug wesentlich zur frühzeitigen Steuerung von Ressourcen bei. Auch die Interaktion mit dem Dienstleister wurde durch die Projektplanung systematisiert.
Spezialitäten der Lösung
Die durchgängige Workflow-Integration lässt Zusammenarbeit auf einem höheren Niveau zu. Alle Informationen rund um den Prozess sind mit nur wenigen Klicks sichtbar. Zusatzinformationen können einfach eingesehen werden. Reports sind für den Endanwender wesentlich einfacher und auch flexibler zu erstellen. Die schnelle und einfache Exportfunktion nach Excel führt zu einem weiteren Gewinn von Möglichkeiten zur Auswertung.
Die Integration aller Module ausser Lohn und Gehalt stellt einen wesentlichen Vorteil dar, da Schnittstellen vermieden werden und der Informationsaustausch über Abteilungen und Funktionen somit problemlos integriert ablaufen kann.
Reflexion der Faktoren für dauerhaften Erfolg
Für Finzelberg liegen die wesentlichen Faktoren für einen dauerhaften Erfolg vor allem darin, dass GUS ein etablierter Anbieter mit jahrzehntelangem Branchen-Know-how ist und über eine solide Kundenbasis mit stabilem Umsatz verfügt. Die bereits seit Jahrzehnten etablierte Beziehung sowie das Einfühlungsvermögen für die Spezifika des Kunden sind weitere wichtige Faktoren für Finzelberg.
Die mit der neuen Lösung abbildbaren Workflows helfen allen Mitarbeitenden, durch die an jeden Prozessschritt anhängbaren Dokumente sofort alle relevanten Daten im Überblick zu haben. Die volle Workflowunterstützung und die einfache Erstellung von neuen Workflows führten zur stringenten Abbildung aller in der Vorstudie als relevant identifizierten Geschäftsprozesse. In der Produktion konnten zahlreiche Prozesse durch die komfortable Workflowsteuerung beschleunigt und Fehler beseitigt werden. In allen Prozessen, in denen Bilder eine wesentliche Grundlage für die Beurteilung eines Sachverhalts darstellen, wie z.B. bei Reklamationen, führte die Verfügbarkeit der Abbildungen im jeweiligen Schritt der Bearbeitung zu deutlich schnellerem, kooperativem Arbeiten. Auch die Kundeninteraktion konnte auf diese Art wesentlich beschleunigt werden, da sich interne Rückfragen reduzieren liessen, was zur Steigerung der Kundenzufriedenheit beitrug.
Lessons Learned
Die grosse Zeitüberschreitung des Projektes lässt im Nachgang auf eine zu optimierende Kommunikation bei Finzelberg schliessen. Die Umstellung im laufenden Betrieb verlief zwar reibungslos, war aber nur mit sehr hohem persönlichen Einsatz einzelner Personen sowie mit der Übernahme des Risikos eines unvorhersehbaren Fehlers durchzuführen.