SCOTT Sports SA: Internationaler Vertrieb mit SAP-Branchenlösung

 
Referenz
Gatziu Grivas, Stella (2008): Fallstudie SCOTT Sports SA, in: Wölfle, Ralf; Schubert, Petra (Hrsg.): Wettbewerbsvorteile in der Kundenbeziehung durch Business Software, S. 67 - 82, München: Hanser Verlag, 2008.
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Inhaltsverzeichnis:

1. Das Unternehmen

SCOTT Sports SA, mit Sitz in Givisiez bei Fribourg in der Schweiz, ist ein international tätiger Hersteller und vielseitiger Anbieter im Winter-, Motor- und Fahrradsport. Das Unternehmen beschäftigt 530 Mitarbeitende, davon 400 in Europa und 130 in den USA, und erzielt jährlich einen Umsatz von ca. 300 Mio. CHF. Hauptabsatzgebiete sind Europa, USA und Asien. Pro Jahr werden ca. 240'000 Lieferungen an rund 20'000 Kunden getätigt.

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Erfolgsgeschichte von SCOTT Sports beginnt mit dem Fokus auf Innovation und Qualität schon bei ihrer Entstehung, als im Jahr 1958 der amerikanische Ingenieur Ed Scott einen revolutionären Skistock aus Aluminium in den Markt einführte. Es folgte eine lange Liste innovativer Produkte wie beispielsweise der leichteste Skistiefel und die erste belüftete Skibrille aus Schaumstoff (1971), der erste aerodynamische Fahrradlenker (1989), das erste vollständig aus Kohlefaser gefertigte Mountainbike (1995) oder ein Full Suspension Bike (2003).

SCOTT Sports ist in Schweizer Händen, seit der Schweizer Beat Zaugg und sein schwedischer Partner Tom Stendahl die Firma 1998 im Rahmen eines Management Buy-outs von einer Investmentgesellschaft kauften. Im Jahr 2006 gewann Beat Zaugg den Unternehmerpreis Espace Mittelland 2006 des Swiss Venture Club.

SCOTT Fahrräder haben eine hohe Präsenz in den Medien, auch dank vielen Weltcup- und Olympiasiegen. Die Produktlinie umfasst aber auch Artikel für Wintersport und Motorsport sowie Bekleidung und Schuhe. SCOTT Sports ist in der Nische der mittelteuren bis teuren Fahrräder einer der drei Hauptanbieter. SCOTT Sports positioniert sich bewusst in diesem Segment und setzt Qualität über Quantität. SCOTT Sports verkauft jährlich über 350'000 Bikes. Das Unternehmen schafft es, in seinem Markt immer wieder Innovationen hervorzubringen, auch aufgrund einer hohen Mitarbeitermotivation. Dazu werden von überall in der Welt geeignete Mitarbeitende zu SCOTT Sports geholt und für sie ein idealer Nährboden für Innovationen geschaffen. Ausserdem arbeiten viele bekannte Spitzensportler mit SCOTT Sports an der Entwicklung neuer Produkte.

Unternehmensvision
2008 feierte SCOTT Sports das 50-jährige Bestehen. Das Motto blieb seit den bescheidenen Anfängen von Ed Scotts Einmannbetrieb immer das Gleiche: Erneuern, gestalten, verbessern. In der Umsetzung gehört dazu:
  • Mit besseren Werkstoffen mehr erreichen, kreativ sein und sich stets um die Verbesserung von Produkten bemühen.
  • Bei gleichem Personalbestand einen besseren Dienst am Kunden trotz ständiger Volumensteigerung leisten.

  • Innovation als Wettbewerbvorteil von SCOTT Sports beschränkt sich nicht auf Produktinnovation, die heute recht kurzlebig sein kann, sondern fokussiert auch auf die Kundenbeziehungen. SCOTT Sports setzt weltweit auf Gross- und Einzelhändler als Kanäle für den Verkauf an die Endkunden. Beständige, starke Beziehungen zu diesen Verkaufspartnern sind ein fester Bestandteil der Geschäftsstrategie, denn eine gut koordinierte Zusammenarbeit führt zu mehr Verkäufen an die Endkunden.

    Stellenwert von Informatik und E-Business
    Die Nutzung der umfangreichen Kommunikationsmöglichkeiten des Internets ist ein Teil der Geschäftsstrategie. Zur Unterstützung der Zusammenarbeit mit den Handelskunden setzt SCOTT Sports auch auf E-Commerce.

    SCOTT Sports startete 1996 mit der Einführung von SAP-Lösungen. 2005 wurde SAP AFS 3.0 (Apparel and Footwear Solution), eine branchenspezifische SAP-Lösung für die Verwaltung von Produkten mit verschiedenen Dimensionen wie Farben und Grössen, eingeführt.

    2. Der Auslöser des Projekts

    Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
    Das in dieser Fallstudie beschriebene Projekt dient der Umsetzung des Geschäftsziels, „bei gleichem Personalbestand einen besseren Dienst am Kunden trotz ständiger Volumensteigerung zu leisten“. Die im Jahr 2007 durchgeführten Massnahmen beinhalteten ein Upgrade von SAP AFS 3.0 auf SAP AFS 6.0 sowie die Einführung einer E-Commerce-Lösung zur Vereinfachung der Zusammenarbeit mit dem Handel.

    Vorstellung der Geschäftspartner
    SCOTT Sports Geschäftspartner in diesen Projekt waren die SAP (Schweiz) AG und der Implementierungspartner attune Germany GmbH.

    Anbieter von Business Software
    Anbieter der beschriebenen Standardsoftware-Komponenten ist die SAP (Schweiz) AG, eine Ländergesellschaft der 1972 gegründeten SAP AG in Walldorf (D). 2008 beschäftigt SAP als weltweit führender Anbieter von Unternehmenssoftware mehr als 42'000 Mitarbeitende und bedient über 43'000 Kunden.

    Das Unternehmen bietet umfassende Softwarelösungen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen an. Bei den von SAP bedienten Grossunternehmen und im gehobenen Mittelstand ist in der Mehrzahl der Fälle die Unternehmenssoftware SAP Business Suite im Einsatz, die sich aus den Lösungskomponenten Enterprise Resource Planning (SAP ERP), Customer Relationship Management (SAP CRM), Supply Chain Management (SAP SCM), Product Lifecycle Management (SAP PLM) und Supplier Relationship Management (SRM) zusammensetzt. Die SAP Business Suite wird zudem oft durch branchenspezifische Prozesse und weitere SAP Business Lösungen ergänzt.

    Implementierungspartner
    attune unterstützt Unternehmen der globalen Bekleidungs-, Schuh-, Sportswear- und Modeindustrie in allen Bereichen der textilen Lieferkette bei der Maximierung von Umsatz, Erhöhung des ROI [Rentabilität] und Schaffung von mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette [SCM]. Mit über zehnjähriger Erfahrung in Design und Implementierung von SAP-Lösungen bietet attune ein leistungsstarkes Service-Angebot entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Hersteller, Markenhersteller und Einzelhändler. Dieses beinhaltet vorkonfigurierte Lösungen für die schnellere Einführung von SAP Apparel & Footwear (SAP AFS)™.

    3. E-Commerce für den internationalen Vertrieb

    Geschäftssicht und Ziele
    SCOTT Sports vertreibt ausschliesslich indirekt, d.h. ihre Kunden sind Wiederverkäufer (Fachhandel oder grosse Sportmärkte) und Distributoren (vgl. Abb. 1). Die Wiederverkäufer sind verantwortlich für die Betreuung der Endverbraucher. Distributoren vertreiben die SCOTT Produkte primär an Wiederverkäufer, unterhalten dazu eine eigene Vertriebsorganisation und manchmal auch eigene Lager.

    Das Betreuungsangebot von SCOTT Sports für die Endverbraucher beinhaltet die „Consumer Web Site“ mit allgemeinen Produktinformationen, die geographische Händlerzuteilung und verschiedene Sponsoringaktivitäten. SCOTT Sports veranstaltet zudem mit den Wiederverkäufern Showroom-Events, bei denen die Endkunden die neuen Kollektionen begutachten können. Erste Instanzstelle für Service-/Reklamationsanfragen sind die Wiederverkäufer, welche die Anfragen gegebenenfalls an SCOTT weiterleiten.
    Der Hauptsitz in Givisiez ist operativ verantwortlich für die Produktentwicklung, die Verkaufssteuerung sowie das weltweit zentralisierte Procurement [Beschaffung] einschliesslich Planung der Lieferungen an die Kunden. Die weltweite Zentrale steuert alle Aktivitäten und betreibt die an allen Standorten gemeinsam genutzten IT-Systeme. Bei dieser zentralen Organisationsform liegen alle Bestands- und Plandaten zentral vor. Die hohe Transparenz ermöglicht eine optimale Verwaltung der Warenbestände und flexible Steuerungsmöglichkeiten.

    Zur SCOTT Gruppe gehören verschiedene Produktionsstätten in Italien und anderen Ländern sowie zwei Zentrallager in Belgien und in Salt Lake City in USA. Die Produkte werden weltweit von den Produktionsstätten in den beiden Zentrallagern zusammengeführt und an die SCOTT Kunden (Distributoren oder Wiederverkäufern) im Namen von SCOTT Sports SA oder SCOTT USA ausgeliefert. Aufgrund der ständig steigenden Verkaufsvolumen können immer mehr Kunden auch direkt ab Produktion beliefert werden. Das Zentrallager in Belgien ist auch zuständig für die automatische Generierung der Zolldokumente und die Zollabwicklung.



    Abb. 1: Business Szenario für die operative Auftragsabwicklung bei SCOTT Sports


    Der Verkauf erfolgt für die Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich, Schweden, Grossbritannien und die USA in Direktdistribution, während für die anderen Länder weltweit mit unabhängigen nationalen Verkaufsorganisationen, sog. Distributoren, gearbeitet wird. Diese verfügen auch über eigene Lager, die mengen- und sortimentsmässig stark begrenzt Eilauslieferungen vornehmen können. Zu den Verkaufsorganisationen gehören neben dem Verkaufsleiter die Mitarbeitenden im Customer Service und im Aussendienst. Die Aufgabe der nationalen Verkaufsorganisationen ist es, den Verkauf zu organisieren, Aufträge zu erfassen und auszulösen und den Kundendienst wahrzunehmen.

    Die Aufgaben des Aussendienstes sind die Akquisition neuer Kunden, z.B. auf Messen, und die Betreuung bestehender Kunden. Die Betreuung der bestehenden Kunden erfolgt vor Ort, per Telefon oder Internet sowie bei regelmässigen Kundenbesuchen. Dabei werden die Kunden über neue Produkte/Kollektionen informiert und Bestellungen aufgenommen und erfasst. Der Aussendienst gibt auch Produktschulungen oder Support bei der Einführung von neuen Tools, z.B. der neuen E-Commerce-Lösung, oder organisiert Abverkäufe und Shows.
    Eine optimale Vorbereitung des Aussendienstes auf die Kundengespräche setzt zwei Punkte voraus: Erstens, dass er genügend Kundeninformationen besitzt, z.B. über offene Bestellungen, Rechnungen und Lieferungen. Und zweitens, dass er immer up-to-date ist in Bezug auf die Verfügbarkeit der Produkte. Um diese Voraussetzungen zu schaffen, wurde die E-Commerce-Lösung SAP ECO eingeführt. Mit ihr hat der Aussendienst jederzeit via Internet Zugriff auf das AFS-System und damit auf Kundendaten, Transaktionsdaten und Lagerinformationen.

    Als weiteres Ziel wurde gesetzt, dass 90 % der Vor-Saison-Bestellungen und 80 % der Nachbestellungen über die E-Commerce-Lösung laufen sollen.

    Prozesssicht
    In der Sport- und Bekleidungsindustrie wird zwischen den Basisbestellungen vor der Saison und den Nachbestellungen (Einzel- oder Nachlieferungen, Ersatzteile etc.) während der laufenden Saison unterschieden. Eine Auswertung der Bestellungen hat gezeigt, dass der Umsatz zu 65 % aus Basisverkäufen und zu 35 % aus Nachbestellungen besteht. SCOTT Sports arbeitet heute weltweit mit identischen Prozessen in der Auftragsabwicklung [Auftrag], wobei möglichst viele Teilaufgaben automatisch durch die Business Software erfüllt werden.

    Vor der Einführung der E-Commerce-Lösung wurden die Vor-Saison-Aufträge vom Aussendienst auf Papier erfasst und manuell vom Customer Service im SAP eingegeben. Das dauerte je nach Land bis zu vier Monate, was eine Verzögerung bei der Produktion und später auch bei der Lieferung bewirkte. Heute werden die Aufträge entweder unmittelbar im Showroom erfasst oder bei einer Auftragserteilung ausserhalb des Showrooms vom Aussendienst aufgenommen. Dies geschieht entweder online über die SAP-E-Commerce-Lösung oder über eine selbst entwickelte Excel-Applikation. Die Excel-Datei wird anschliessend über die für SCOTT entwickelte Applikation Mobile Sales per FTP an das SAP-System übertragen und dort eingelesen. Dadurch ist es möglich, die Produktion deutlich früher entsprechend den Händleraufträgen und damit genauer zu planen. Die georderten Produkte können nun zur „richtigen“ Zeit geliefert werden, Abverkäufe wegen falsch produzierten Farben oder Grössen werden reduziert.



    Abb. 2: Prozess „Auftrag prüfen, ggf. anpassen und freigeben“ für Nachbestellungen


    Die Einzel- und Nachlieferungen während der Saison werden heute entweder bereits von den Kunden online als Aufträge erteilt oder vom Customer Service entsprechend einer Telefon- oder Faxorder erfasst.

    In der SCOTT Sports Zentrale in Givisiez gehen alle Aufträge direkt im SAP-System ein. Bei Vor-Saison-Aufträgen werden die Produkte nach vordefinierten Regeln, z.B. Kundenwünschen zur Lieferungsart, auf die Aufträge zugeteilt. Nachbestellungen werden geprüft und ggf. angepasst, bevor sie entsprechende Lieferungen auslösen (vgl. Abb. 2). Innerhalb der SCOTT-Gruppe wird automatisch eine Intercompany-Verrechnung ausgelöst. Auftragsbestätigungen und Rechnungen an die Kunden werden von der jeweils zuständigen Verkaufsorganisation verschickt. Entsprechend den Kundenwünschen werden verschiedene Formate unterstützt. Bei grösseren Kunden und besonders in den USA läuft das Meiste per EDI/EDIFACT [Datenaustausch]. Kunden können die Informationen jedoch nach wie vor per E Mail, Fax oder als Papierdokument (Rechnungen) erhalten.

    Wie bereits erwähnt werden die Produkte überwiegend direkt von den beiden Lagern in Belgien und den USA direkt an die Kunden ausgeliefert. Da SCOTT eine breite Produktpalette mit Herkunft aus verschiedenen Produktionsstätten anbietet, erlaubt die Lieferung von den zentralen Lagern für Vor-Saison-Einkäufe eine Bündelung aller Produkte zu einer Lieferung. Nachbestellungen oder Ersatzteile, bei denen es sich oft um kleinere Sendungen handelt, können je nach Dringlichkeit und Zusammensetzung von den Lagern der Filialen aus geliefert werden. Das verkürzt die Lieferzeit, ist ökologisch sinnvoll und optimiert die Transportkosten.

    Anwendungssicht
    Die Anwendungslandschaft von SCOTT ist eine umfassende SAP-Lösung, die zentral in Givisiez betrieben wird (vgl. Abb. 3).



    Abb. 3: Übersicht über die bei SCOTT Sports eingesetzten Applikationen


    Mitarbeitende der verschiedenen Verkaufsorganisationen und der beiden Lager sowie alle Abteilungen in der Zentrale greifen via SAP Clients auf die SAP-Lösung zu. Neben der Kernkomponente SAP ERP Central Component (SAP ECC) enthält die Lösung die Branchenkomponente SAP AFS und die E-Commerce-Lösung SAP ECO. SAP AFS ist eine branchenspezifische Lösung mit verbesserten Darstellungsmöglichkeiten und Funktionen für Konsumgüter im Bereich Bekleidung und Schuhe. Sie ist als Add-on zu SAP ECC eng mit diesem verschmolzen. Beide können als ein System betrachtet werden (SAP ECC/AFS). SAP ECO als Frontend-Lösung implementiert den Onlineshop, über den die in SAP ECC/AFS verwalteten Produkte verkauft werden. SAP ECO wurde zudem für einen höheren Integrationsgrad zu SAP AFS erweitert. Diese Komponente des Implementierungspartners attune heisst „a4eco“. Sie erzielt bei geringen Betriebskosten bessere Echtzeitfunktionen und höhere Datentransparenz in der Integration von SAP AFS. SAP NetWeaver ist eine offene Integrations- und Applikationsplattform, die auf Standards basierend die Integration und Abstimmung der verschiedenen SAP-Komponenten ermöglicht. SAP NetWeaver folgt einem serviceorientierten Ansatz. Von den verschiedenen SAP-Systemen werden allgemein verfügbare, lose gekoppelte Services bereitgestellt und in einem sog. Enterprise Service Repository verwaltet. Der Geschäftsprozess bestimmt, wie die Services aufgerufen werden, damit die Anforderungen der Unternehmung optimal unterstützt werden. Ereignisse, das sind Meldungen über Statusänderung eines Prozesses, die aus den einzelnen SAP-Systemen erzeugt werden, werden vom SAP NetWeaver empfangen und an das für den benötigten Service zuständige SAP-System weitergeleitet.

    Das System SAP BI unterstützt Business Intelligence Funktionalität. Laufend durchgeführt werden Umsatzprognosen und Analysen zu abgeschlossenen und offenen Aufträgen. Dabei interessiert vor allem der Nachfrageverlauf bei den einzelnen Produkten sowie die Margenentwicklung. Einige der Daten werden auch Kunden zu Verfügung gestellt, um sich gemeinsam zu verbessern und zusammen zu wachsen. Es wurde auch analysiert, welche Kunden wann welchen Verkaufskanal benutzen, um sie dann gezielt an die E-Commerce-Lösung heranzuführen.
    Die zentralisierte Organisationsform und die Integration der verschiedenen SAP-Lösungen erlaubt eine zentrale Datenhaltung. Alle Daten, sowohl für Kunden als auch für Produkte und Rechnungen, werden in einer einzigen Datenbank verwaltet, auf die alle SAP-Lösungen zugreifen. Dies bringt eine hohe Datenqualität und Datenkonsistenz mit sich, weil alle Benutzer des Systems auf den gleichen, stets aktuellen Datenbestand Zugriff haben.
    Den Mitarbeitenden im Aussendienst stehen als Webschnittstelle der E-Shop und das Offlineprogramm mobile sales zur Verfügung. Der E-Shop wird meistens für Verkäufe innerhalb der Saison und mobile sales für die Aufnahme der Vor-Saison-Bestellungen genutzt. Ein Vorteil von mobile sales ist die Verfügbarkeit unabhängig davon, ob eine Internetverbindung vorhanden ist.

    Der E-Shop steht den SCOTT-Kunden auch direkt für die Erfassung von Aufträgen zur Verfügung. Alle Kunden arbeiten auf der gleichen Oberfläche und entscheiden selber, wie viel Funktionalität sie nutzen wollen. Auf folgende Informationen haben sie jederzeit Zugriff: Verfügbarkeit der Produkte („real-time“, direkter Zugriff zum Lagerbestand), Status der Bestellungen (Packen der Ware, Warenausgang, Liefertermine), Promotionen und Kontostand. Zusätzlich können sich Kunden per E-Mail über Ereignisse informieren lassen, z.B. bei einem Warenausgang.

    Technische Sicht
    Der Hauptsitz in Givisiez ist der zentrale Serverstandort für die SAP-Lösungen und die Datenbank (vgl. Abb. 4). SCOTT Sports ist als ein SAP-Mandant mit einer komplexen Firmenstruktur angelegt. Die Zentrale, die Zentrallager und die Verkaufsorganisationen arbeiten mit verschiedenen Kontenplänen. Aussendienst und Kunden sind weltweit sicher über das Internet und Virtual Private Network (VPN) Technologie mit der Zentrale verbunden. Die Mitarbeitenden der beiden Lager und der Verkaufsorganisationen arbeiten direkt auf dem SAP System.



    Abb. 4: Technische Sicht auf die Systeme von SCOTT Sports

    4. Projektablauf und Betrieb

    Investitionsentscheidung
    Für SCOTT Sports war es ein strategischer Entscheid, die Umsetzung der in Kapitel 1 genannten Unternehmensvision mit Hilfe von Standardsoftware voranzutreiben. Ein Ausbau der vorhandenen Lösung „Online Store“ und insbesondere die Integration mit SAP AFS 6 hätte nicht nur grossen Implementierungsaufwand, sondern auch eine schlechte Performance mit sich gebracht. Ziele wie ein 7 mal 24 Stunden stabiles System, eine Entlastung des Customer Service sowie eine Erhöhung der Leistung des Aussendienstes, wären sehr schwierig zu erreichen gewesen.

    Deshalb sollten zunächst die bisherigen SAP-Lösungen mit einem Upgrade auf dem neusten Stand gebracht und die Funktionalität mit E-Commerce weiter ausgebaut werden. Ausserdem sollte die neue Lösung eine Basis für weitere strategisch wichtige Belange legen, z.B. die Auswertung von betrieblichen Kennzahlen mit Business Intelligence oder Customer Relationship Management.

    Für das Projekt bestand die Vorgabe, die Investition spätestens binnen drei Jahren zu amortisieren. Um das Risiko zu reduzieren, die Kosten über einen längeren Zeitraum zu verteilen und sehr schnell einen Payback zu erzielen wurde das Gesamtvorhaben in drei Phasen aufgeteilt. Da sich die Investition in der ersten Phase schnell rentiert wurden auch die Mittel für die beiden folgenden Phasen bereitgestellt und der Roll-out unverzögert durchgeführt.

    Projektmanagement und Changemanagement
    Das Implementierungsprojekt startete im Februar 2007 und dauerte 14 Wochen. Es umfasste drei Hauptaufgaben:
    1. Software-Upgrade: Migration von der bestehenden SAP AFS 3.0 Lösung auf SAP AFS 6.0 und Installation des SAP E-Commerce-Moduls ECO 5.0. In dieser Phase leistete SAP Schweiz direkten Support.
    2. Veränderung der Geschäftsprozesse: Weltweit waren in der ganzen Vertriebskette die gleichen Prozesse für die Auftragsabwicklung einzuführen. Das tief gehende Verständnis des Auftragsabwicklungsprozesses war eine wichtige Voraussetzung für diese Reorganisation.
    3. Optimierung: Mit der Implementierung des Add-on auf SAP ECO 5.0 („attune for e-commerce“ template a4eco) wurden branchenspezifische Aspekte durch einen höheren Integrationsgrad zu SAP AFS optimiert.

    Partnerwahl
    In einem strategischen Entscheid war SAP als Single Vendor für die Business Software bestimmt worden. Das Angebot von branchenspezifischen Lösungen für die Bekleidungs- und Sportindustrie und einer integrierten E-Commerce-Lösung waren dabei ausschlaggebend.

    Die Beratungsfirma attune war schon bei der Implementierung von SAP AFS 3.0 bei SCOTT Sports involviert. Aufgrund der guten Erfahrungen stand von Anfang an fest, wer der Implementierungspartner sein würde. Eine Evaluation wurde nicht durchgeführt. Für attune sprach auch, dass sie mit a4eco einen sehr hohen Integrationsgrad zwischen dem E-Shop-Frontend und dem SAP AFS Backend bei geringen Betriebskosten realisieren konnten und durch den Branchenfokus eine ganzheitliche Beratung entlang der gesamten Wertschöpfungskette geleistet werden konnte.

    Entstehung und Roll-out der Softwarelösung
    Im Vorfeld des Projekts wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt, wobei auch Kunden und Vertreter involviert waren. Während der Implementierung und bei den Tests waren Schlüsselkunden sowie das Management weltweit beteiligt.

    Der Roll-out erfolgte Step-by-Step, angefangen mit einer Light-Version mit einer sehr einfachen Oberfläche und anschliessend regelmässigen Einführungen von zusätzlicher Funktionalität. In grösseren Abständen wurden auch grössere Änderungen realisiert, z.B. am Layout durch eine Einführung kontextabhängiger Funktionen. Verbesserungen am Layout („cool & fun“) werden weiterhin vorgenommen und in neuen Projekten sukzessive implementiert.

    Zuerst wurde die neue E-Commerce-Lösung für einzelne Kunden in der Schweiz, Deutschland und den USA sowie einzelne Mitarbeitende im Aussendienst freigegeben. Im Frühjahr 2008 war der Roll-out abgeschlossen und ECO ist für alle Kunden und alle Aussendienstmitarbeiter freigeschaltet.

    Laufender Unterhalt
    Für den laufenden Unterhalt der E-Commerce Lösung ist der Hauptsitz in Givisiez verantwortlich. Der Unterhalt umfasst neben Supportaufgaben für die Key User und Analysen auch das Anlegen von Katalogen und Produktanpassungen sowie Kontrollaufgaben für den Systembetrieb.

    5. Erfahrungen

    Nutzerakzeptanz
    Die E-Commerce-Lösung wird bei den Wiederverkäufern und Verkaufsorganisationen weltweit eingesetzt (USA, Brasilien, Russland, Südafrika und Westeuropa). Mitte 2008 gehen 55 % der Aufträge online ein. Die Verantwortlichen bei SCOTT Sports gehen davon aus, dass das Ziel von 90 % bei Vor-Saison-Bestellungen im nächsten Geschäftsjahr und von 80 % bei „Nachbestellungen" in zwei Jahren erreicht sein wird.
    Die SCOTT-Kunden werden in Bezug auf die Nutzerakzeptanz in drei Gruppen eingeteilt, wobei allen die gleiche Funktionalität zur Verfügung steht:
    1. Experten sind sehr aktive Benutzer der E-Commerce-Lösung. Oft sind es grössere Betriebe mit mehreren Angestellten.
    2. Geübte Kunden sind sehr daran interessiert, die Vorteile der E-Commerce-Lösung zu erfahren und sind bereit, immer wieder auch Aufträge zu erfassen. Mit einer guten Schulung können sie zu Experten gemacht werden. Für kleine Geschäfte (Einmann-Betriebe) wurde die Möglichkeit geschaffen, während der Geschäftszeit nur die Verfügbarkeit abzufragen und im Warenkorb Vorreservationen zu tätigen, die eigentliche Bestellung aber erst am Abend auszuführen.
    3. Im Umgang mit Computern weniger geübte Kunden geben die Aufträge nach wie vor telefonisch durch. Trotzdem benutzen sie E-Commerce, um die Verfügbarkeit der Produkte und manchmal den Status der Aufträge abzufragen. Diese Kunden werden durch den Aussendienst gezielt geschult und auf Level 2 hingeführt.

    Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
    Durch die neue Systemfunktionalität ist die Informationsversorgung der Kunden verbessert worden. Informationen zum aktuellen Lagerbestand, zu ausstehenden Lieferungen oder zu offenen Rechnungen können an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr als Self Service bezogen werden. Kunden können jederzeit Aufträge online erteilen und erhalten somit ihre Nachbestellungen schneller.

    Self Services gehen mit einer grossen Entlastung für den Customer Service und den Aussendienst einher. SCOTT Sports rechnet bei der Bestellabwicklung mit ca. 30 % Zeitgewinn für die Kunden und einem noch höheren Gewinn für die Mitarbeitenden im Aussendienst. Einige Länder haben im Customer Service bereits 15 % Zeit eingespart und konnten proaktive Aufgaben übernehmen. Kundenberater können etwa 25 % bis 30 % mehr Kundenbestellungen bearbeiten, was dem Ziel von höherem Umsatz bei gleichem Personalbestand entspricht. Dabei ist die Betreuung der Kunden durch den Aussendienst effektiver und effizienter geworden. Dies einerseits, weil sie sich besser auf die Kundengespräche vorbereiten können, anderseits, weil sie die Kunden vor Ort intensiver betreuen können. Analysen mit Business Intelligence zeigen, dass Vertreter, die mit der ECO-Lösung arbeiten, mehr Verkäufe erzielen als die anderen.
    Die Tatsache, dass Kunden und Mitarbeitende im Aussendienst die gleiche Applikation nutzen, um auf das SAP-System zuzugreifen, beschleunigte nicht nur die Implementierungszeit der E-Commerce-Lösung, sondern erlaubt auch eine schnellere Einführung bei den Kunden, weil der Aussendienst auch deren Einführung und den Support übernehmen kann.

    Je mehr das System zum Einsatz kommt, desto besser kann SCOTT Sports die Produktionslinien der kommenden Saison innerhalb des achtmonatigen Zyklus planen. Heute stehen die Planungsdaten 30 bis 45 Tage früher zur Verfügung, so dass eine höhere Produktverfügbarkeit erreicht wird. Das Vertriebspersonal profitiert von einer besseren Lager- und Vertriebsplanung, besonders in Peak-Zeiten.
    Die Einschätzungen bei SCOTT Sports gehen dahin, dass die gesetzten Ziele erreicht werden und alle drei Phasen bereits nach etwa zwei Jahren rentabel sind.

    6. Erfolgsfaktoren

    Spezialitäten der Lösung
    Eine Reihe von Faktoren erlauben eine effiziente und effektive Arbeit der IT Abteilung von SCOTT Sports. Sie ermöglichten nicht nur eine kurze Implementierungsphase unter Budget und vor dem geplanten Enddatum für die neue E-Commerce-Lösung, sondern auch eine schnelle Einführung von Upgrades und einen sehr effektiven Support:
    • SCOTT Sports wählte eine zentralisierte Organisationsform auf der Basis von weltweit vernetzter Business Software.
    • Hardware und Software befinden sich zu 100 % in der Schweiz und alle SCOTT-Organisationen arbeiten auf diesem System.
    • Weltweit werden die gleichen Prozesse für die Auftragsabwicklung eingesetzt. Das tief gehende Verständnis der Geschäftsprozesse ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer erfolgreichen Einführung von IT-Lösungen.
    • Der Einsatz von branchenspezifischer Standardsoftware erlaubte die Implementierung eines stabilen Systems, das bei flexiblen Prozessen den Geschäftsanforderungen umfassend gerecht wird und bei einem hohen Integrationsgrad modular ausgebaut werden kann.
    • Der Einbezug der Fachverantwortlichen und des Managements von Anfang an ermöglicht eine optimale Erfüllung der Anforderungen und reduziert Fehlinvestitionen.

    Reflexion der Wettbewerbsvorteile
    SCOTT Sports hat erkannt, dass sich der Wettbewerbvorteil einer Firma heute nicht nur auf Produktinnovationen beschränken darf, sondern auch die Kundenbeziehungen abdecken muss. Die E-Commerce-Lösung von SCOTT Sports trägt zur Bildung von stabilen Beziehungen zu den Verkaufspartnern bei.

    Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ist durch die erhöhte Effizienz in der Wertschöpfungskette als Ganzes entstanden. Diese hat ihren Ursprung in der höheren Transparenz, die zu kürzeren Vorlaufzeiten, nachfragegerechteren Produktionslosen, besseren Kunden- und Lagerzuteilungen und am Ende weniger Preisabschriften wegen schlechter Disposition führt.
    Die fortlaufende Überwachung von Vertriebskennzahlen und Nutzungsgrad ermöglicht einen vertieften Einblick in das Kundenverhalten sowie effiziente Vertriebs- und Serviceprozesse.
    SCOTT Sports hat mit seiner Lösung eine strategische Plattform für die zukünftige Geschäftsentwicklung geschaffen. Durch den hohen Integrationsgrad der Business Software können Geschäftsprozesse neu aufgesetzt oder umkonfiguriert werden und sind dann sofort im Internet verfügbar. So lassen sich Prozesse mit hohem Integrationsbedarf realisieren, z.B. für die variable Entlohnung der Mitarbeitenden im Vertrieb. Aus der SAP-Produktfamilie können zudem weitere Standardfunktionen bei Bedarf einfach zugeschaltet werden, etwa aus den Bereichen Marketing (Kundenqualifikation, Kampagnen), Vertrieb (individuelle Bestellvorschläge und Cross-Selling) oder Service (integrierte Retourenanforderung und Kommunikation mit dem Aussendienst).

    Lessons Learned
    Gefragt nach den wichtigsten Erfahrungen und Erfolgsfaktoren in diesem Projekt führt der Projektverantwortliche bei SCOTT Sports folgende Punkte an:
    • Ein integriertes System ist sehr wichtig, ebenso ein kompetenter IT-Partner.
    • Kunden sowie die Mitarbeitenden im Aussendienst und Kundendienst müssen sehr früh an Bord geholt werden.
    • Wenn das gleiche Tool für Vertreter und Kunden eingesetzt wird, erleichtert das die Einführung.
    • Es braucht mehr Zeit als man plant nicht zuletzt wegen der intensiven Auseinandersetzungen mit allen Beteiligten. Auch für die kontinuierlichen Verbesserungen sollte genügend Kapazität eingeplant werden.
    • Es bewährt sich, von exotischen Lösungen abzusehen und auf Standards zu setzen.

    Aktualisiert am 08/28/2013
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